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Schlagschatten

Schlagschatten

Titel: Schlagschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Ähnlichkeit mit seinem früheren Ich wiedergewinnt. In dieser Zeit rasiert er sich nicht, er wechselt seine Wäsche nicht, er denkt nicht einmal daran, sich aus seinem Zimmer zu rühren. Als der Tag kommt, an dem er den nächsten Bericht schreiben muss, lässt er sich nicht darauf ein. Es ist jetzt vorbei, sagt er und tritt nach den Papieren auf dem Boden, und ich will verdammt sein, wenn ich noch einmal so etwas schreibe.
    Meistens liegt er auf dem Bett, oder er geht im Zimmer auf und ab. Er sieht sich die verschiedenen Bilder an, die er seit dem Beginn des Falles an die Wände geheftet hat, studiert der Reihe nach jedes für sich und denkt darüber nach, so lange er kann, dann geht er zum nächsten weiter. Der Leichenbeschauer aus Philadelphia, Gold, mit der Totenmaske des kleinen Jungen. Ein schneebedeckter Berg und in der rechten oberen Ecke der Fotografie ein zweites Bild von dem französischen Skiläufer, sein Gesicht ist von einem kleinen Kästchen eingerahmt. Die Brooklyn-Brücke, und daneben hängen die beiden Roeblings, Vater und Sohn. Blues Vater in Polizeiuniform, wie er eine Medaille vom Bürgermeister von New York, Jimmy Walker, erhält. Dann noch einmal Blues Vater, diesmal in Zivil; er legt den Arm um Blues Mutter, und beide lächeln als noch junges Glück strahlend in die Kamera. Ein Bild von Brown, der den Arm um Blue legt, aufgenommen vor ihrem Büro an dem Tag, an dem Blue sein Partner wurde. Darunter hängt ein Schnappschuss von Jackie Robinson, wie er auf das zweite Mal zuläuft. Daneben kommt ein Porträt von Walt Whitman. Und direkt links von dem Dichter hängt ein Standfoto von Robert Mitchum aus einem der Fan-Magazine: Mit dem Revolver in der Hand sieht er aus, als stürzte gleich die ganze Welt über ihm zusammen. Es gibt kein Bild der ehemaligen zukünftigen Mrs.
    Blue, aber jedes Mal wenn Blue die Runde um seine kleine Galerie macht, bleibt er vor einer bestimmten leeren Stelle an der Wand stehen und tut so, als ob auch sie da sei.
    Mehrere Tage lang macht Blue sich nicht die Mühe, aus dem Fenster zu sehen. Er hat sich so vollständig in seine eigenen Gedanken eingeschlossen, dass Black nicht mehr da zu sein scheint. Das Drama ist jetzt allein Blues Drama, und wenn Black in einem gewissen Sinne seine Ursache ist, so ist es, als hätte er seine Rolle schon gespielt, als hätte er seine Sätze gesagt und wäre von der Bühne abgetreten. Denn Blue kann nun Blacks Existenz nicht mehr akzeptieren, und deshalb leugnet er sie. Nachdem er in Blacks Zimmer eingedrungen, nachdem er sozusagen in der innersten Sphäre von Blacks Einsamkeit gewesen ist, kann er auf die Dunkelheit dieses Augenblicks nicht anders reagieren, als sie durch seine eigene Einsamkeit zu ersetzen. In Black einzudringen war so viel wie in sich selbst einzudringen, und sobald er einmal in sich selbst ist, kann er sich nicht mehr vorstellen, anderswo zu sein. Aber ebendort ist Black, auch wenn Blue es nicht weiß.
    Eines Nachmittags kommt Blue daher wie durch Zufall näher an das Fenster heran als seit vielen Tagen, er bleibt davor stehen und dann, wie um der alten Zeiten willen, schiebt er die Vorhänge auseinander und wirft einen Blick hinaus. Das Erste, was er sieht, ist Black. Er ist nicht in seinem Zimmer, sondern sitzt auf den Stufen seines Hauses auf der anderen Straßenseite und schaut zu Blues Fenster hinauf. Ist er am Ende? fragt sich Blue. Heißt das, dass es vorbei ist?
    Blue holt seinen Feldstecher und kehrt zum Fenster zurück. Er stellt ihn auf Black scharf ein und studiert das Gesicht des Mannes mehrere Minuten lang, einen Zug nach dem anderen, die Augen, die Lippen, die Nase und so fort, er nimmt das Gesicht auseinander und setzt es dann wieder zusammen. Er ist gerührt von der Tiefe der Traurigkeit, von seinem Blick ohne jede Hoffnung, und wider Willen, überrascht von diesem Bild, fühlt Blue Erbarmen in sich aufsteigen, eine Anwandlung von Mitleid mit dieser verlorenen Gestalt auf der anderen Straßenseite. Er wünscht, es wäre nicht so, er wünscht, er hätte den Mut, seinen Revolver zu laden, auf Black zu zielen und ihm eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Er würde nie wissen, was ihm geschehen ist, denkt Blue, er würde im Himmel sein, bevor er den Boden berührt. Aber sobald er diese kleine Szene in seinem Geist durchgespielt hat, schreckt er davor zurück. Nein, erkennt er, das wünscht er keineswegs. Aber wenn nicht das – was dann? Immer noch gegen die aufwallenden zarten Gefühle ankämpfend, sagt

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