Schlangenfluch 2: Ravens Gift (German Edition)
mein Bruder meinen Vater ermordet hat.“ Er drehte sich zu ihm und wieder liefen ihm Tränen über die Wangen. „Und ich muss verdauen, was mein Vater dir angetan hat.“
„Denk darüber nicht nach. Es ist vorbei, und Raven hätte es dir niemals sagen dürfen.“ Allein dafür gehörte er gelyncht.
„Das wollte er auch nicht. Ich habe so lange auf ihn eingeschrien, bis er aufgegeben hat.“ Ian wischte sich mit dem längst nassen Ärmel über die Augen. „Raven hat dich gerächt. Ist es nicht so?“
„Raven hatte Bedenken, dass ich es nicht könnte.“ Und damit hatte er richtig gelegen. „Ich will dich nicht belügen, Ian. Ich nehme unserem Bruder den Mord an deinem Vater nicht übel.“
Ian schwieg, bis sie auf die Regent Street abbogen. „Wenn ich du gewesen wäre, hätte ich David getötet.“
Dann würdest du mich jetzt hassen und nicht Raven. Der Gedanke tat weh. Raven hatte es auf sich genommen. Nur Laurens hätte er niemals nehmen dürfen.
„Hey, pass auf. Du musst abbiegen!“
Die Berwick Street. Beinahe wäre er daran vorbei gefahren. Er parkte vor dem kleinen Ramschladen, über dem Ians Wohnung lag, aber Ian stieg nicht aus. „Wusstest du, dass Laurens in der Nähe wohnt?“ Er zeigte die Straße hinunter. „Keine zehn Minuten zu Fuß. Sutton Row Nummer ...“
„Ich will’s nicht wissen.“
„Das solltest du aber wollen. Raven hat gesagt ...“
„Was? Dass sie gerade noch zu Ende vögeln konnten, bevor ich aufgekreuzt bin?“ Verflucht noch mal. „Ich habe Laurens halb ohnmächtig unter die Dusche geschleppt, weil ich Ravens Geruch an ihm nicht ertragen konnte.“ Am Morgen hätte alles wieder gut sein sollen. Er hatte Laurens schon unter der Dusche verziehen, als er wie eine Marionette ohne Fäden in seinem Arm lag, vollkommen hilflos in dem Giftrausch gefangen, den er nie hätte erleben dürfen. Aber statt Laurens am nächsten Morgen im Bett vorzufinden, war nur noch dieser Brief von ihm dagewesen.
„Und als du Raven gevögelt hast, hast du dich allein duschen können, bevor du zu Laurens zurückgegangen bist, ja?“ Ian klappte sein Handy auf und wählte eine Nummer. „Denk das nächste Mal nach, bevor du dein Glück in den Arsch trittst.“
„Das habe ich nicht getan!“ Laurens wollte frei sein. Dass Laurens’ Freiheit sein Herz in Streifen schnitt, war sein Privatproblem.
„Jarek?“
War Ian verrückt geworden? Als Samuel ihm das Handy abnehmen wollte, schlug er nach ihm. „Ich wollte Laurens sprechen. Seit wann gehst du an fremde Handys?“
Warum war Ian plötzlich so still? Er sah zu Samuel, sah schnell weg. „Oh, das tut mir leid.“
Was? Was tat ihm leid? Ian wehrte ihn wieder ab. Verdammt, er musste wissen, was mit Laurens war.
„Verstehe. Oh Mann. Klingt nicht gut.“
„Ian, gib mir sofort Jarek!“ Erst nachdem sein Handgelenk knackte, ließ Ian los. „Jarek? Was ist mit Laurens?“
Am anderen Ende schnappte es nach Luft. „Samuel? Du blödes Arschloch! Was hast du Laurens angetan? Er heult! Er hat nie geheult! Ich kenne ihn ewig. Er hat auch nicht geheult, als ihn Mirko aus der Siebten verprügelt und angepisst hat. Er hat auch auf der Beerdigung seiner Oma nicht geheult, und da habe selbst ich unter Wasser gestanden, denn das war ne coole Frau. Weißt du, wie lange ich ihn kenne? Seit wir im Kindergarten nebeneinander auf dem Töpfchen saßen und zum Synchronpissen gezwungen wurden. Immer hat er alles weggesteckt wie ein Mann. Und jetzt isst er nicht, schläft kaum noch und ... Ach, vergiss es! Es geht dich nichts an, was er sonst noch alles macht.“
„Gib ihn mir.“ Laurens durfte nicht leiden. Nicht wegen ihm.
„Kannst du knicken, Mann. Du lässt ihn in Ruhe. Wer seinen eigenen Bruder küsst, frisst auch kleine Kinder. Das habe ich ihm damals schon gesagt.“
„Laurens ist kein Kind, und ich habe mit Raven gevögelt und ihn nicht nur geküsst, und nun schwing deinen Arsch zu Laurens und drück ihm das verdammte Handy ans Ohr.“
Stille, in der Ian ihn an den Hinterkopf schlug. „Hast du sie noch alle?“, formulierten seine Lippen. Nein, das hatte er nicht. Das Wesentliche fehlte. Es war bei Jarek und weinte wegen ihm.
„Du widerliches Schwein!“ Jarek klang, als ob seine Spucketröpfchen das Mikro torpedierten. „Du hinterfotziger Arschkeks!“
„Gib mir Laurens.“
„Ums Verrecken nicht!“
Das konnte schneller geschehen, als diesem Kerl recht war. Samuel kämpfte gegen das Bedürfnis an, Jarek durchs Handy zu ziehen und
Weitere Kostenlose Bücher