Schlangenküsse
das?«
»Kennst du sie nicht, John?«
»Nein.«
»Es sind Schlangenadler. Soviel ich weiß, gibt es sie auch in eurer Welt.«
»Ja, gehört habe ich davon.«
»Sie werden sich auf die Schlangen stürzen, falls sie uns aufhalten wollen. Man muss immer damit rechnen, dass die Königin ein As im Ärmel hat.«
Ich war gespannt, ob sich seine Prophezeiung erfüllte. Die wie ein Bussard großen Vögel blieben in unserer Nähe und flogen dicht um uns herum, so dass wir vom Wind ihrer Schwingen gestreift wurden. Manchmal erwischte ich einen Blick in ihre starren und kalten Augen. Dann lief mir jedes Mal ein Schauer über den Rücken. Der Rote Ryan wollte es beenden. Dazu war ihm jedes Mittel recht, und deshalb hatte er sich auch seine Helfer geholt und uns bewiesen, welche Macht er in dieser Welt besaß. Er war ihr Hüter, ihr Aufpasser, aber auch er konnte nicht überall sein.
Wir gingen noch tiefer in die Schlucht hinein. Die Welt um uns herum hatte einen graugrünen Schimmer angenommen, ähnlich wie der Himmel über uns, eben ein typischer Aibon-Himmel, wie ich ihn auch von früheren Besuchen her kannte.
Es gab Orte zwischen den Wänden, die nicht so dicht bewachsen waren, und einen von ihnen steuerte der Rote Ryan an. Mein Gefühl sagte mir, dass wir das Ziel bald erreicht hatten. Mir brannte eine Frage auf der Zunge.
»Woher weißt du, wohin wir müssen?«
Erst lächelte er. Dann wies er auf die Vögel. »Sie sind die perfekten Beobachter. Sie haben es mir mitgeteilt.«
»Alles klar.« Ich fragte erst gar nicht danach, wie sie es geschafft hatten. Es gibt manchmal Momente, da muss man gewisse Dinge einfach hinnehmen.
Nach ein paar Schritten stoppten wir von neuem.
Die Vögel huschten vor uns hin und her. Sie waren nervös geworden, und der Rote Ryan meinte: »Sie wittern die Schlangen.«
»Dann sind sie besser als ich«, sagte Suko.
»Genau.«
Nach dieser knappen Antwort folgten wir den Tieren, die über etwas schwebten, das tief im Schatten einer Felswand stand und sich beim Näherkommen als eine Hütte entpuppte.
»Hier lebt die Königin«, sagte der Rote Ryan leise.
»Und was ist mit den Schlangen?«
»Sie sind in der Hütte.«
»Das weißt du durch die Vögel.«
»So ist es.«
»Willst du sie ihnen als Beute überlassen?«
»Daran habe ich gedacht.«
Ich schaute auf die Vögel, die auf dem Dach der Hütte saßen und nicht durch den Eingang hineingeflogen waren. So richtig gefiel mir das nicht, und das sagte ich dem Roten Ryan auch.
»Vergiss nicht, dass es nicht nur Schlangen sind. Sie besitzen Menschenköpfe...«
»Hör auf, John. Sie wollen es. Sie wollen uns. Hast du nicht eine Kugel mitten in das Gesicht hineingeschossen?«
Da sagte ich nichts mehr und presste die Lippen zusammen, obwohl dieser Vergleich für mich hinkte. Ich hatte mich nur verteidigt, weil ich angegriffen worden war. Die Vorstellung allerdings, dass die Mutationen und damit ihre menschlichen Gesichter von scharfen Schnäbeln zerhackt wurden, gefiel mir gar nicht.
Die Hütte war das Ziel. Suko hatte uns überholt. Er war in den dunklen Schatten des Eingangs getaucht, wo seine Gestalt regelrecht verschluckt wurde. Bevor wir ihn erreichten, hörten wir schon seinen leisen Fluch.
Er drehte sich um, und ich stand inzwischen so dicht vor ihm, dass ich sein Gesicht genau sehen konnte.
»Was ist denn passiert?«
»Sieh selbst nach.«
Er gab den Weg frei. Ich betrat voller Spannung die Hütte, die mehr einem Unterstand glich, aber in ihrem Innern hell genug war, um erkennen zu können, dass die fünf Schlangen zwar noch vorhanden waren, nur anders als wir es uns vorgestellt hatten.
Ich sah vor mir einen Klumpen, der sich bewegte. Dazwischen schimmerte die hellere Haut der Gesichter. Mehr war nicht zu sehen. Suko hielt seine Leuchte bereits in der Hand. Er schickte den Strahl auf das Ziel, und erst jetzt war für uns zu sehen, was tatsächlich mit den fünf Mutationen passiert war.
Sie kamen nicht mehr weg, denn sie bildeten ein ineinander geschlungenes Knäuel. Die dicken Schlangenkörper waren trotz allem so beweglich, dass sie sich ineinander verknotet hatten und nicht mehr voneinander loskamen.
Der Klumpen, der irgendwie die Form eines Felsens aufwies, bewegte sich, doch er wanderte nicht weiter, sondern blieb auf der Stelle. Er kreiste, er zuckte, und an verschiedenen Stellen schauten aus ihm die Gesichter der Frauen hervor.
Genau das war es, was mir einen Schock versetzte. Das waren nicht die Gesichter
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