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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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habe ich schließlich den weiten Weg hierher gemacht.“
    „Wegen der Anlage?“, fragte Paula zweifelnd.
    „Na klar. Dieses Wunderding, das selbst aus Stroh Gold machen kann, möchte ich mir unbedingt genauer ansehen. Ich habe schon viel von faszinierenden Projekten gehört, aber alle, die ich kenne, sind dermaßen teuer in der Umsetzung, dass es meist bei Prototypen für wissenschaftliche Studien bleibt. Dass eine Firma so etwas für eine Ferienanlage einbaut, habe ich noch nie gehört. Also, los geht’s!“ Blanco und Paula hatten keine andere Wahl, als ihr zu folgen.
    Der Mond hatte sich nun durch die Wolkendecke am Himmel gekämpft. Sie schalteten die Taschenlampen aus. Wenig überraschend war auch die Tür zur Müllentsorgungsanlage abgesperrt. Blanco holte einen Gegenstand aus der Jacke. Einen Dietrich, wie Paula nun erkennen konnte. Nach ein paar Versuchen schaffte er es, das Schloss zu öffnen. Blanco grinste über das ganze Gesicht und steckte das Werkzeug wieder ein. Sie betraten das Haus und knipsten die Taschenlampen an. Vor ihnen lag der Arbeitsraum, der Paula und den Gästen bei der Führung präsentiert worden war. Kandin hatte ihnen hier erläutert, wie aus Abfall jener Humus gewonnen wurde, der an die Bauern der Umgebung verschenkt werden sollte. Sally überprüfte Geräte und Behälter, während Paula und Blanco ihr interessiert zusahen.
    „So habe ich es mir gedacht“, stellte Sally schließlich fest. „Das hier sieht aus wie eine Müllverarbeitungsanlage. Sie haben die gleichen Behälter und Förderbänder, mit dem einzigen Unterschied, dass das Ganze nur eine Attrappe ist.“
    „Sally, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“ Paula konnte ihr nicht folgen.
    „Also in kurzen Worten: Das, was ihr hier seht, sieht aus wie eine Müllverarbeitungsanlage. Jeder Laie wäre wahrscheinlich beeindruckt.“
    Dass alle Besucher, wie sie selbst auch, begeistert waren, als Kandin vorführte, wie aus Abfall Humus gemacht wurde, behielt Paula für sich.
    „Tatsächlich ist es eine Farce. Der Humus, der angeblich damit produziert wird, dürfte gekauft sein. Den füllen sie dann zu Vorführzwecken in diesen Behälter hier.“ Sally deutete auf einen Kasten, der die letzte Station der Maschine darstellte. Als sie die Tür öffnete, konnten sie sehen, dass er voller Erde war. „Das Ganze funktioniert so: Da oben wird der Abfall hineingeschüttet, dann mit dem Förderband zu diesem Behälter transportiert. Danach gibt es wahrscheinlich ein Rütteln und Schütteln, und wenn das aufhört, wird diese Tür geöffnet und, siehe da, alles ist voller Humus.“
    Sally hatte mit ausladenden Handbewegungen diese unglaubliche Erklärung vorgetragen, war von einem Behälter zum anderen getänzelt und hatte mit beiden Händen zum Inhalt des letzten Kastens gedeutet.
    „Tatsächlich fällt der ganze Abfall hier in diese Kammer und bleibt wohl so lange liegen, bis ihn jemand herausräumt und entsorgt.“
    „Und wozu das alles?“, fragte Paula. Sie konnte sich nicht vorstellen, wozu jemand diesen Aufwand betreiben sollte. Schließlich musste der Müll dann erst recht entsorgt werden.
    Blanco lachte auf. „Unsere Österreicherin ist nicht ganz im Bilde. Hier geht es um einen Haufen Mammon. Die Errichtung und der Betrieb einer solchen Anlage sind sehr teuer. Wir sprechen hier von sechsstelligen Dollarbeträgen. Dieses Geld macht sich auf jeden Fall sehr gut auf einem privaten Bankkonto.Nicht zu vergessen die Fördergelder, die für solche Projekte vergeben werden. Hier geht es um riesige Summen.“
    Blanco hatte recht. Paula fiel dazu der Fall einer österreichischen Stadt ein, in der eine Müllsortieranlage mit hohen Fördermitteln erbaut worden war, die jedoch niemals zum Einsatz gekommen war. Nach wie vor mussten Menschen den Müll sortieren, aber die mit Steuern finanzierte Förderung war weg. Der Unterschied in jenem Fall war nur, dass es sich nicht um eine absichtliche Betrügerei gehandelt hatte, sondern um die Inkompetenz einiger Projektverantwortlicher.
    „Wir müssen uns rasch auf den Rückweg machen. Das Taxi wird bald eintreffen“, ermahnte Blanco. Es war bereits nach neun, sie mussten sich beeilen, um rechtzeitig zurückzukommen.
    „Und was ist mit Ricarda?“, fragte Paula.
    „Ich weiß nicht, wo wir sie noch suchen könnten. Ich denke, das Beste wird sein, wenn ich morgen nochmals herkomme“, sagte Blanco.
    Paula war von seinem Vorschlag nicht begeistert, aber auch ihr fiel nichts Besseres ein.

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