Schlechte Gesellschaft
Morgen losgefahren waren, blickte sie Westphal direkt an. Er fragte sich, was das zu bedeuten hatte.
»Dann sind wir ja alle beisammen.« Der Produzent versuchte ein unverbindliches Grinsen. »Kamera läuft!«
Im Spion (Juni 2007)
Wieland erwachte vom Vogelgezwitscher. Das penetrante Tschirpen der Spatzen â was sonst sollte sich in die trostlose StraÃe verirren? Zu wenige Bäume, zu spärliche Gärten. Die halbhohen Arbeiterhäuschen standen dicht an dicht. Bei seiner Ankunft in Duisburg hatte er sich gefreut, eine so günstige Wohnung gefunden zu haben. Ein Schlafzimmer, in das morgens die Sonne schräg einfiel, das gekachelte Wannenbad, die Einbauküche und ein für seine Bedürfnisse zu groÃes Wohnzimmer mit seinem Schreibtisch. Da er keine Regale anschaffen wollte, stapelte Wieland die Bücher in hohen, ordentlich ausgerichteten Türmen auf dem FuÃboden. Er hatte nie vorgehabt, in Duisburg heimisch zu werden. Aber jetzt war er doch froh, wieder in seiner gewohnten Umgebung zu sein.
In einer plötzlichen Vorahnung hatte er Judiths Mantel am gestrigen Abend ausgezogen, frische Wäsche herausgelegt und lange geduscht. Jeden Moment rechnete er damit, dass die Polizei ihn fand. Sicher hatten Kittel und Judith seine Ausrede keine Minute lang geglaubt.
Selbst wenn die Papiere wieder auftauchen würden, musste er davon ausgehen, dass es für ihn keine weitere Zusammenarbeit mit Judith geben würde. Peter Vahlen war seit fünfzehn Jahren tot. Womöglich brauchte es noch einmal solange, bis sein Fragment in der Familie kein Unheil mehr anrichten würde. Und es dauerte mindestens solange, bis Judith begreifen würde, was sie an ihm hatte.
Mit schwerem Kopf und geschwollenen Augen stand Wielandvom Bett auf, legte sich den Mantel wieder um und ging in die Küche. Er zog eine Graubrotscheibe aus der Plastikverpackung, verstrich die Margarine und löffelte Erdbeermarmelade darüber.
In den Händen der Witwe wären die Geheimnisse der Vahlens wohl tatsächlich am besten aufgehoben, dachte er. Nur wäre das Manuskript damit noch immer nicht vor Judiths Zugriff sicher.
Es klingelte. Wieland schreckte auf. Da war sie also, die Polizei. Was sollte er sagen? Sicher hätte er den Diebstahl der Papiere melden müssen. Aber er konnte ja kaum wissen, ob es nicht Kittel oder die Vahlens selbst waren, die es aus dem Aufenthaltsraum genommen hatten. So wollte er es den Beamten erklären.
Doch als er durch den Spion blickte, erkannte er â auf fast anrührende Weise vom Guckloch verzerrt â Caroline Schweizers vertrautes Gesicht. In den Händen hielt sie einen Dokumentenkarton. Er brauchte einen Moment, um die Schrift zu erkennen, mit der er selbst ihn vor Wochen markiert hatte.
Showdown II (Juni 2007)
Gellmanns braungebranntes, mit Furchen durchzogenes Gesicht setzte sich vorteilhaft vom Weià seines Leinenhemdes ab. Er wirkte schlanker als früher. Aber die Gelassenheit, mit der er aus dem Wagen stieg, war nur vorgeschützt. Noch immer war sein Ausdruck der eines Ungeduldigen, getrieben von den eigenen Bedürfnissen. Als sich ihre Blicke trafen, schaute Hella gleich zurück auf die Stufen, die sie nun selbst betont langsam herunterstieg.
»Was für eine Ãberraschung. Alexia ist gerade nach oben gegangen. Weià sie, dass du kommst?«
»Guten Tag, Hella. Nein, ich wollte dich sprechen.«
Sie sah ihn fragend an.
»Ich will nicht lange herumreden«, sagte er. Du kennst diesen Germanisten, der ein Buch über mich macht, Andreas Wieland. Erhat mir gesagt, er habe meine Briefe bei euch gefunden. Ich hätte sie gerne.«
»Er hat dir sicher auch gesagt, dass ich nicht möchte, dass die Briefe veröffentlicht werden.«
»Das sind meine Briefe. Ich habe sie an Vahlen geschrieben. Das hat mit dir nicht viel zu tun.«
»Hast du sie mal wieder gelesen, diese Briefe?«
»Hör mal, es gehört heutzutage dazu, den Leuten Einblick in die Privatsphäre zu geben. Das hält sie lebendig. Vahlen würde es auch nicht schaden, wenn man wieder über ihn spricht.«
»Du willst dich mit ihm schmücken. Genau wie dieser Doktorand. Mit welchem Recht?«
»Wir waren Freunde. Vahlen hat das nie vergessen.«
Sie lachte auf. »Ihr wart längst keine Freunde mehr. Ihr habt euch doch immer nur gegenseitig die Frauen ausgespannt.«
»Ich habe Vahlen sehr geschätzt. Und ich
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