Schleier und Schwert
Lösung als alle ihre Pläne?
Es brauchte einige Zeit, die Schwestern und alle anderen zu beruhigen. Noch mehr Zeit brauchte sie, um ihr Schicksal zu akzeptieren. Sie wollte einfach nicht glauben, dass dieser Mann derart drastische Maßnahmen ergreifen würde, um sie zu zwingen, das Kloster zu verlassen. Doch als Schwester Sigridis meldete, dass die Männer Holz im Wald sammelten, um es zu einem mächtigen Stoß aufzuschichten, konnte sie die Wahrheit nicht mehr leugnen. Nach all den schönen Jahren, welche die Schwestern ihr hier im Kloster bereitet hatten, würde sie nicht zulassen, dass sie jetzt wegen ihr leiden mussten.
Während sie in dieser Nacht auf ihrer Matratze lag und darüber nachdachte, dass sie so gut wie keine andere Wahl hatte, erkannte Margriet, dass die Schwestern sie nie bitten würden, das Kloster zu verlassen. Noch würden sie sie dazu zwingen. Aber Margriets Gewissen konnte es gar nicht so weit kommen lassen. Während sie mit der Hand über ihren sich langsam rundenden Leib strich, überlegte sie, ob am Ende alles vielleicht Gottes Werk war. Finn hatte ihr die Ehe versprochen. Aber etwas war geschehen und hatte ihn gezwungen, sie zu verlassen, bevor er sein Versprechen einlösen konnte. Wenn sie diese Männer nach Kirkvaw begleitete, ihn fand und ihm die Wahrheit über ihren Zustand offenbarte, würde er zu seinem Wort und zu seiner Liebe stehen.
Würde er doch?
Margriet glaubte, gerade erst die Augen geschlossen zu haben, als sie aufwachte, weil jemand sie heftig rüttelte. Während sie sich die Augen rieb und hoffte, dass sie nicht die Übelkeit, die sie bisher jeden Morgen geplagt hatte, überfiel, richtete sie sich auf und begegnete den sehr besorgten Blicken von vier Schwestern.
Was ist los?, fragte sie, während sie vom Lager aufstand und ihre Stiefel anzog. Auf dem Weg zur Tür strich sie sich die vom Schlaf zerzausten Haare aus dem Gesicht und wartete darauf, dass eine der Schwestern ihr erklärte, was geschehen war.
Der Geruch von brennendem Holz verkündete ihr mehr als alle Worte. Margriet stürmte aus der kleinen Kammer und rannte zum Tor. Sie wusste, dass sie dem Schicksal nicht länger entgehen konnte. Also hob sie den Riegel hoch und ließ ihn zu Boden fallen. Obwohl alle Nonnen sie beobachteten, hielt keine sie auf oder versuchte, sie zum Bleiben zu überreden. Der immer dichter werdende Rauch brannte ihr in den Augen, als sie nach draußen trat und sich ihrem Gegner stellte.
Fünf Männer standen mit lodernden Fackeln in den Händen da und warteten auf den Befehl ihres Anführers.
Ein schwacher Ausdruck des Triumphs huschte jetzt über sein Gesicht. Und bevor sie noch reagieren konnte, trat er mit ein paar großen Schritten dicht vor sie. In seinen Händen hielt er keine Fackel, sondern ein Stück Seil. Und sie vernahm seine drohenden Worte.
Kommt Ihr freiwillig mit oder muss ich Euch fesseln?
Keiner von denen, die zusahen, ließ einen Laut hören. Noch regte sich einer von ihnen, während Rurik auf ihre Antwort wartete. In diesem Augenblick erinnerte sie sich an das Blut ihrer Ahnen, das durch ihre Adern floss. Es weckte ein Selbstbewusstsein in ihr, wie sie es so noch nie gespürt hatte.
Ich bin Margriet Gunnarsdottir und werde Euch freiwillig folgen, wenn Ihr mir die Sicherheit derer garantiert, die im Kloster sind.
Beide wussten sie, dass ihr gar keine andere Wahl blieb. Doch dann tat er etwas völlig Unerwartetes. Statt hämisch zu grinsen, wie es die meisten in dieser Situation getan hätten, lächelte er sie an, und sie spürte, dass ihre Entscheidung ihn stolz machte. Respekt lag in seinem Blick, sodass Margriet innerlich ganz warm wurde. Dann forderte er die Männer auf, ihre Fackeln zu senken. Wie ein Mann verneigten sich alle vor ihr.
Einen Augenblick lang stand Margriet verblüfft da und versuchte, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Da überkam sie plötzlich wieder diese leidige Übelkeit. Es blieb ihr keine Zeit mehr, eine Warnung auszusprechen. Sie erbrach sich auf die Stiefel des Mannes. Das Erbrechen drückte nun aber ganz und gar nicht die Gefühle aus, die sie eigentlich hatte zeigen wollen.
Oder vielleicht doch?
3. KAPITEL
Rurik verspürte eine gewisse Befriedigung, als Margriet sich seinem Befehl fügte. Doch das Gefühl wurde getrübt durch das, was sie dann tat. Nun gut, er hatte seine Beute gestellt. Und der Auftrag, den sein Vater ihm gegeben hatte zweifellos wollte er ihn prüfen , würde bald ausgeführt sein.
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