059 - Der Preller
Schach dem König
Seit Jahren war Pony Nelson, der Hochstapler und Falschspieler, nicht so glücklich gewesen. Sein letzter Raubzug, dessen Hergang mit dieser Geschichte nichts zu tun hat, brachte ihm mehr als fünfunddreißigtausend Pfund Sterling ein. Selbst nach reichlichen Spenden an seine Mitarbeiter blieb ihm noch genug, daß er weitreichende Pläne machen konnte. Eine Sommerreise per Auto, eine Angelkarte im mondänsten Fischparadies, eine Jagdhütte in Schottland, das waren mehr oder weniger die Freuden, die Pony Nelson sich aus den Erträgnissen seines Fischzuges zu verschaffen gesonnen war. Im letzten Augenblick vor Antritt dieser geplanten Reise erhielt er von seinem Freund, dem Kriminalinspektor Bradley von Scotland Yard, noch einen Wink, daß sein unversöhnlichster Feind, Kriminalsergeant Sennet, ihm scharf auf den Fersen sei und nur noch geringe Beweise brauche, um ihn für längere Zeit hinter schwedische Gardinen zu bringen. Ohne zu zögern, sprengte Pony das Gerücht aus, daß er seinen Paß in Ordnung habe und im Begriff sei, Südfrankreich aufzusuchen.
Das Stammlokal der Bande, die ›Sieben Federn‹, sah am selben Abend sämtliche Mitglieder der ›Nelson-Bande‹ zum Abschied vereinigt: Simmy Diamond, Colethorpe, May Blumenthal und Chris O'Heckett sprachen dem leckeren Mahl und den ausgewählten Weinen, die Pony zum Abschiedsdiner anfahren ließ, ebenso freigebig zu wie ihr Chef. Der ›Preller‹ war nicht anwesend, denn er gehörte nicht zur Bande des erfindungsreichen Pony, obwohl er über ihn und seine Pläne genauso gut unterrichtet war wie Nelson selbst.
»Du hast wirklich enormen Massel gehabt«, meinte May, die neben Pony saß. Pony kicherte.
»Ja, die Geschäfte hätten schlechter sein können«, antwortete er vergnügt, »aber ich fahre doch jetzt weg, obwohl die Saison kaum begonnen hat. Schade, daß ich so viele Lämmlein ungeschoren zurücklassen muß.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. Pony liebte es zu posieren - diese Eigenschaft hatte er mit vielen großen Künstlern gemeinsam.
»Ja«, fuhr er nachdenklich fort, »ihr habt es gut; ihr könnt hierbleiben und leicht Geld verdienen. Ich gönne es euch, aber der Gedanke, daß ich völlig abseits stehen soll, schmerzt mich doch.« Er unterbrach sich, und ein Funken blitzte in seinen Augen auf. »Ich fahre morgen früh«, meinte er. »Um acht. Meine Koffer sind schon aufgegeben.« Wieder ließ er eine sprechende Pause eintreten, und die anderen Teilnehmer am Abschiedsmahl harrten gespannt der Dinge, die, wie sie wußten, schnell genug kommen würden. »Die Reise wird teuer werden«, Ponys Augen blitzten vor verhaltenem Lachen, »wahrscheinlich mehr als hundert Pfund, denn Fahrt, Trinkgelder und dergleichen verschlingen eine Masse Geld.«
Diese Mitteilung löste bei seinen Kumpanen lautes Gelächter aus, denn alle wußten, daß Pony in den verschiedenen Taschen seines eleganten Abendanzuges über vierzigtausend Pfund Sterling verborgen hatte.
Als erste wurde sich May darüber klar, was der Chef eigentlich meinte.
»Sei kein Esel, Pony«, warnte sie ihn ernst. »Du hast genug und solltest dich nicht wieder in Gefahr begeben. Geh nach Hause und schlaf dich aus. Fahre ruhig los. Ja, ich weiß schon, was du im Sinn hast.«
»Nun?« forderte Pony sie heraus.
»Du willst noch eine Kiste landen, um deine Reisespesen zu verdienen. Was wirst du damit erreichen? Nichts weiter, als daß dich die Polizei noch auf dem Bahnhof festnehmen wird. Du weißt, daß Sennet scharf hinter dir her ist, und wenn du einen einzigen Fehler begehst, hat er dich unwiderruflich beim Schlawittchen.«
Der andere lachte.
»Die Polente ist seit Jahren hinter mir her, May«, sagte er, »und hat mich bisher noch nicht schnappen können, nicht wahr? Glaubst du wirklich, May, daß ich mich jetzt noch in letzter Stunde von ihr angeln lasse? Nein, Kind, wenn ich heute abend wirklich noch eine Sache drehe, dann darf es nur eine bombensichere sein. Und - ich werde schon was finden!«
Nun mischte sich auch Simmy ins Gespräch.
»Du forderst das Schicksal heraus, Pony«, erklärte er kopfschüttelnd. »Wie oft sind uns unsere besten Leute verschütt gegangen, weil sie nicht genug bekommen konnten! Du darfst dir doch nicht einbilden, Chef, daß niemand etwas von dir weiß. Jeder verdammte Plattfuß in Uniform kennt dich und weiß, was für ein Geschäft du betreibst. Wenn sie den Schatten eines Beweises gegen dich hätten, würden sie dich schon lange
Weitere Kostenlose Bücher