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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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Maschinerie des Haushalts drehte sich um Toddy, der von sämtlichen Leuten vergöttert wurde, angefangen bei dem indischen Wäscher bis hinab zu dem Hundejungen. Selbst Futteh Khan, der faule alte Schlingel von Aufwärter aus Mussoorie, scheute sich, bei Toddy in Ungnade zu fallen, aus Furcht, seine Kameraden könnten auf ihn herabsehen.
    So genoß Toddy der Ehre ringsum im Lande, von Boileaugaunge bis Chota Simla, und herrschte gerecht nach seinem Wissen. Natürlich sprach er Urdu, aber er beherrschte auch die vielen sonderbaren Nebendialekte, wie das Chatee Bolee der Frauen, und unterhielt sich feierlich mit Ladenbesitzern wie Bergkulis, ohne Unterschied. Er war frühreif für seine Jahre, und sein Verkehr mit den Eingeborenen hatte ihm einige der bitteren Wahrheiten des Lebens beigebracht: seine Armseligkeit und seinen Schmutz. Ja, er pflegte über Brot und Milch feierliche Aphorismenzum besten zu geben, die er von der Landessprache ins Englische übersetzte, bis seine Mama vor Schreck zusammenfuhr und beteuerte, in der nächsten warmen Jahreszeit müsse Toddy aber wirklich endlich nach England geschickt werden.
    Gerade als Todd auf der Höhe seiner Macht stand, doktorte der Oberste gesetzgebende Rat an einer Gesetzesvorlage herum, einer Revision des damaligen Pundschaber Grund- und Bodengesetzes, die einige hunderttausend Menschen nahe berührte. Der juristische Beirat hatte den Gesetzentwurf aufgesetzt, aufgepolstert, zurechtgestutzt und verbessert, bis er sich auf dem Papier wirklich wunderschön ausnahm. Dann begann der Rat die sogenannten untergeordneten Details festzulegen. Als ob Engländer, wenn sie den Einheimischen Gesetze geben, überhaupt beurteilen könnten, welches, vom einheimischen Gesichtspunkte aus betrachtet, die untergeordneten Details und welches die Hauptpunkte sind. Dieser Gesetzentwurf war ein Triumph der »Wahrung der Interessen des Pächters«. Eine Klausel bestimmte, daß kein Pachtvertrag länger als fünf Jahre dauern dürfe, weil ein Grundbesitzer, wenn er einen Pächter, sagen wir, auf zwanzig Jahre hin gebunden hält, ihn bis aufs Mark aussaugen kann. Der Gedanke war, in den submontanen Distrikten einen wechselnden Stand unabhängiger Ackerbauer aufrechtzuerhalten, und ethnologisch und politisch war der Gedanke korrekt. Der einzige Nachteil war, daß er vollkommen falsch war. In Indien schließt das Leben des Eingeborenen auch das seines Sohnes ein. Deshalb kann man dort keine Gesetze machen, die nur für eine Generation Gültigkeit haben. Man muß gleichzeitig vom Eingeborenengesichtspunkt die nächste Generation ins Auge fassen. Seltsamerweise hassen es Eingeborene von Zeit zu Zeit, in Nord-Indien ganz besonders, bevormundet zu sein, selbst wenn es gilt, sie gegen sichselbst zu schützen. Es war einmal ein Negerdorf ... Aber das ist eine andere Geschichte.
    Aus zahlreichen, später noch zu erörternden Gründen war das Volk gegen die betreffende Gesetzesvorlage. Das indische Mitglied des Rates kannte die Einwohner des Pundschabs ungefähr so gut wie den Charing-Gross-Bahnhof in London. In Kalkutta hatte er erklärt: »Die Vorlage entspricht durchaus den Wünschen jenes großen und wichtigen Standes, unserer ackerbautreibenden Bevölkerung« usw. usw. Des juristischen Beirats Kenntnisse von Eingeborenen beschränkten sich auf englisch-sprechende Gerichtspersonen und auf seine eigenen rotröckigen Ordonnanzen; die submontanen Distrikte gingen niemanden besonders an; die Vizekommissare waren viel zu überarbeitet, um Vorhaltungen zu machen, und die Maßnahme betraf ja außerdem nur die kleinen Pächter. Trotzdem flehte der juristische Beirat zum Himmel, daß er recht getan hätte, denn er war ein ängstlich gewissenhafter Mann. Er wußte nicht, daß kein Mensch, der sich nicht ganz ohne Tünche unter sie mischt, hinter die Gedanken der Eingeborenen kommen kann. Und selbst dann glückt es ihm nicht immer. Aber er handelte nur nach bestem Wissen und Gewissen. Und so wurde die Vorlage dem Obersten Rat unterbreitet, damit dieser ihr die letzten Finessen gebe, während Toddy auf seinen Morgenritten den Burra Simla-Bazar durchstreifte, mit dem Affen Ditta Mulls, des Händlers, spielte und nach Kinderart dem Bazargeschwätz über den neuesten tollen Einfall der hohen Sahibs lauschte.
    Eines Tages gab es im Hause von Toddys Mama eine Gesellschaft, zu der auch der juristische Beirat geladen war. Toddy war schon zu Bett gebracht worden, lag aber dort wach, bis er die Herren über ihrem Kaffee

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