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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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haben. Auch sind wir keine Kinder, daß der Sirkar uns als solche behandle.«
    Hier hielt Toddy plötzlich inne, da ihm mittlerweile die ganze Gesellschaft lauschte. Der juristische Beirat fragte Toddy: »Ist das alles?«
    »Alles, was ich behalten habe,« entgegnete Toddy. »Aber Du solltest Ditta Mulls großen Affen sehen. Er sieht ganz so aus wie der Sahib Staatsrat.«
    »Toddy! Marsch ins Bett,« sagte sein Vater.
    Toddy raffte seinen Schlafrock zusammen und ging.
    Der juristische Beirat schlug donnernd mit der Faust auf den Tisch – »Bei Jove!« sagte der juristische Beirat, »ich glaube, der Junge hat Recht. Die kurze Pachtfrist ist der wunde Punkt.«
    Und er brach in Gedanken an das, was Toddy gesagt hatte, zeitig auf. Nun war es offenbar für den juristischen Beirat unmöglich, mit des Händlers Affen zu spielen, um sich Erleuchtung zu verschaffen; er tat indes etwas vielBesseres, Er stellte überall Erkundigungen an, wobei er sich stets vor Augen hielt, daß der echte Eingeborene – nicht der auf der Universität geschulte Zwitter – so scheu ist wie ein wildes Pferd, und mählich, ganz allmählich überredete er eine Reihe von Männern, die die Frage am meisten anging, ihn ihre Ansichten wissen zu lassen, und sie stimmten mit Toddys Aussagen eng überein.
    So wurde diese eine Klausel des Gesetzentwurfs revidiert; und in des juristischen Beirats Brust zog unruhiger Argwohn, daß die indischen Mitglieder wenig mehr als die Befehle, die sie mit sich herumtragen, zum Ausdruck brächten. Aber er wies diesen Gedanken als unliberal weit von sich. Er war ein äußerst liberaler Mann.
    Nach und nach verbreitete sich in den Bazaren die Nachricht, Toddy hätte es erreicht, daß die Pachtfristklausel revidiert worden wäre; und hätte Toddys Mama sich nicht eingemischt, Toddy hätte an den Körben von Obst und Pistaziennüssen, Kabuli-Trauben und Mandeln, die sich auf der Veranda türmten, krank gegessen. Bis er nach England ging, stand Toddy in der Wertschätzung der Menge noch um einige Stufen höher als der Vizekönig selbst – weshalb, das vermochte Toddy, und hätte er sein kleines Leben dadurch retten können – niemals zu erraten.
    In des juristischen Beirats Privatschatulle liegt noch immer ein flüchtiger Entwurf des »Revidierten Ryotwary Submontan-Distrikts-Aktes«; und neben der zweiundzwanzigsten Klausel stehen mit Blaustift und von dem juristischen Beirat unterzeichnet die Worte: »Toddys Antrag.«

Die Tochter des Regiments
    »Ein Herr, der von 'ner Tscherkessen-Quadrille keine Ahnung hat, soll einen dazu auch nicht auffordern und alle Leute durcheinanderhetzen.« Das waren Miß McKennas Worte, und die Miene des Feldwebels, der mein Visavis war, besagte das gleiche. Ich hatte Angst vor Miß McKenna. Sie war sechs Fuß groß, nichts als gelbe Sommersprossen und rote Haare, und trug eine unauffällige Toilette – weiße Atlasschuhe, rosa Musselinkleid, apfelgrüne Wollschärpe und schwarze Seidenhandschuhe – außerdem noch gelbe Rosen im Haar. Daher floh ich vor Miß McKenna und suchte meinen Freund, den Gemeinen Mulvaney, auf, der sich in der Kantine bei den Erfrischungen zu schaffen machte.
    »Also haben Sie mit der kleinen Jhansi McKenna getanzt – die wo den Unteroffizier Slane heiraten soll? Na, Herr, wenn Sie sich das nächste Mal mit Ihren Grafen und Gräfinnen unterhalten, dann erzählen Sie ihnen nur, daß Sie mit der kleinen Jhansi getanzt haben. Das is was, worauf Sie stolz sein können.«
    Aber ich war gar nicht stolz. Im Gegenteil, ich fühlte mich ganz klein. Denn aus des (Gemeinen Mulvaneys Augen leuchtete eine Geschichte; außerdem wußte ich, daß ein allzu ausgedehnter Aufenthalt vor dem Bar-Tisch Mulvaney reif für abermaliges Strafexerzieren machen würde. Nun ist es aber ungemein peinlich, einem geschätzten Freunde zu begegnen, während er in voller Marschrüstung vor der Wachtstube nachexerziert, besonders, wenn man sich zufällig in Begleitung von dessen Regimentskommandeur befindet.
    »Kommen Sie nach dem Exerzierplatz, Mulvaney draußen ist's kühler – und erzählen Sie mir von Miß MacKenna. Wer und was ist sie und warum nennt man sie »Jhansi«?
    »Wollen Sie damit vielleicht sagen, daß Sie noch nie von der alten Mutter Pauken ihrer Tochter gehört haben? Un' Sie glauben, Bescheid zu wissen! Ich komme gleich nach, sowie ich meine Pfeife angezündet habe.«
    Wir gingen hinaus unter den Sternenhimmel. Mulvaney setzte sich auf eine der Lafetten und begann in der

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