Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
üblichen Weise: Pfeife in den Mund geklemmt, die großen Hände verschlungen zwischen den Knien und die Mütze tief in den Nacken geschoben:
»Dazumalen, als die jetzige Frau Mulvaney noch Fräulein Shad hieß, waren Sie, Herr, noch ein gut Teil jünger als heute, und mit der Armee stand's in mancher Hinsicht auch ganz anders. Heutzutage haben die Jungen keine Lust mehr zum Heiraten, und das is auch der Grund, warum es in der Armee jetzt so viel weniger echte, brave, ehrliche, fluchende, tüchtige Weiber gibt – 'n bißchen elephantenfüssig vielleicht, aber mit dem Herz auf dem richtigen Fleck. Aber damals als ich noch Unteroffizier war – – Ich hab' die Tressen später wieder verloren – macht nichts – aber ich war mal Unteroffizier. Dazumalen also lebte und starb ein Kerl noch mit seinem Regiment; und wie's ganz natürlich war, heiratete er, wenn er Mann wurde. Als ich nun Unteroffizier war – Herrgott noch mal, was im Regiment inzwischen alles geboren und gestorben is – war der alte McKenna Fahnenträger; auch ein verheirateter Mann. Un' seine Frau – seine erste Frau – denn er hat dreimal geheiratet, der McKenna – war Bridget McKenna, aus Portarlington wie ich. Ich weiß nich mehr, was ihr Mädchenname war; aber wir von der zweiten Kompagnie nannten sie nur ›Mutter Pauken‹ von wegen ihrer Figur, die vollkommen kreisrund war. Wie die große Trommel! Die Frau nun – derHerrgott schenk' ihr die ewige Seligkeit und laß es ihr im Himmel gutgehn! – bekam egal weg Kinder; un' McKenna schwor, als das fünfte oder sechste angekommen war und sich brüllend zur Stammrolle meldete, er würde se von nun an numerieren. Aber Mutter Pauken bat ihn, se doch lieber nach den Garnisonen, in denen sie zur Welt kämen, zu taufen. Es gab also Colaba McKenna un' Muttra McKenna, ja 'ne ganze Provinz anderer McKennas, un' die kleine Jhansi, die wo da drüben tanzt. Wenn die Kinder nich grade geboren wurden, dann starben sie; un' sterben unsere Kinder heute wie die Schafe, so starben se damals wie die Fliegen. Meinen eigenen kleinen Shad hab ich auch verloren – aber, tut nichts zur Sache. S' is schon lange her, un' die Alte hat nie wieder eins gehabt.
Zur Sache. Einen verdammt heißen Sommer kam da so'n Befehl von irgend 'nem hirnverbrannten Idioten, von dem ich den Namen vergessen habe, daß das ganze Regiment in's Innere vorrücken sollte. Vielleicht wollten se auch bloß wissen, wie die Truppenverschiebungen auf der neuen Eisenbahn funktionierten ... Na, sie erfuhren es! Bei Gott, sie erfuhren es, und zwar gründlich, eh se damit fertig waren. Mutter Pauken hatte gerade eben Muttra McKenna begraben; von den ganzen jungen McKennas war in dem ungesunden Sommer nur die kleine Jhansi übrig geblieben, die damals gerade vier Jahre alt war.
In vierzehn Monaten fünf Kinder verloren. Es is 'n bißchen hart, was?
Also wir fuhren in der glühenden Hitze los nach unserer neuen Station – der Teufel fresse den Mann, der den Befehl dazu gab! Ob ich den Transport je vergessen werde? Zwei kurze Züge hatten se uns zugewiesen – un' wir waren achthundertundsiebzig Mann stark. Im zweiten Zuge waren die erste, zweite, dritte un' vierte Kompanie mitsamt zwölfFrauen – keine Offiziersdamen – un' dreizehn Kindern untergebracht. Sechshundert Meilen sollten wir fahren – un' Eisenbahnen waren damals noch was Neues. Nachdem wir so 'ne Nacht im Bauche des Zuges gehockt hatten – die Mannschaft sämtlich in Hemdärmeln und rasend vor Durst und saufend, was ihnen unter die Finger kam, un' faules Obst runterstopfend, wo se 's nur erwischen konnten, denn aufhalten konnten wir se nich – damals war ich noch Unteroffizier – brach bei Morgengrauen die Cholera aus.
Beten Sie zum Himmel, daß Sie niemals die Cholera auf 'nem Truppentransport erleben! S'iss wie das Strafgericht Gottes, das am hellichten Tage über einen reinbricht. Wir machten in 'nem provisorischen Lager halt – s' hätt' das von Ludianny sein können, nur war 's nich ganz so gemütlich. Der Kommandierende schickte 'n Telegramm dreihundert Meilen landeinwärts mit der Bitte um Hilfe. Wahrhaftig, wir hatten se nötig, denn jede einzelne Seele von den Hilfstruppen nahm Reißaus, sobald der Zug nur stoppte. Bis das Telegramm geschrieben war, war auf der ganzen Station kein Nigger mehr zu finden, ausgenommen den Telegraphenbeamten – un' der auch nur, weil er bei seinem dreckigen schwarzen Genick in seinem Stuhle festgehalten wurde. Un' dann fing der Tag an mit
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