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Chefsache

Chefsache

Titel: Chefsache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Chefsache
     
    „Timo
Heinke, du bist ein Arsch.“
    Benjamin
sprach diesen Satz nicht laut aus, er flüsterte ihn nicht einmal.
Lippenbewegung musste reichen, da sich das Objekt seines Zorns in Hörweite
befand. Timo, sein Chef, stand in einem Nebengang und unterhielt sich leise mit
zwei Anzugträgern von der Hauptdienststelle. Worum es dabei ging, wusste
Benjamin nicht. Es musste ihn auch nicht interessieren. Er war ja nur ‚der
Neue’!
    Jeden
anderen hatte Timo namentlich vorgestellt, die Anzugtypen hatten ihnen die
Hände geschüttelt. Ihn hatte Timo mit einem strafenden Blick und „Sie sollten
mir doch die Unterlagen ausdrucken“ weggeschickt, als er sich dazugesellen
wollte.
    Normalerweise
waren sie hier alle per Du . Normalweise war Timo zwar
distanziert, aber freundlich.
    Wütend
versuchte Benjamin, den altersschwachen Tintenstrahldrucker zur Mitarbeit zu
bewegen. Der funktionierte an guten Tagen tadellos. Heute war kein guter Tag –
erst zog das Ding die Blätter schief ein, dann druckte es jede Zeile doppelt.
In Anwesenheit der Anzugleute wollte Benjamin sich nicht die Blöße geben, um
Hilfe zu bitten, oder den Drucker frustriert anzubrüllen; darum fummelte er mit
zusammengebissenen Zähnen an Druckerpatronen und Papierfach herum. Er mochte
seinen Job bei einer Tochterfirma eines internationalen Konzerns, der alle
möglichen Computerzubehörteile entwickelte und vertrieb. In ihrer kleinen
Niederlassung ging es zwar nicht gemütlich, aber doch relativ locker zu.
Benjamin gehörte zu einem Ingenieursteam, wo er der Jüngste war – sowohl vom
Alter als auch der Firmenzugehörigkeit besehen. Seine Aufgaben waren vielfältig
und interessant und wenn er erst einmal eingearbeitet war, würde er auch
Auslandseinsätze übernehmen dürfen. Darauf freute er sich besonders, da er noch
nicht lange in der Stadt weilte und deshalb niemanden kannte. Als Single ohne
Familie und Freunde waren die Abende einsam und langweilig …
    „Herr
Larisch, die Unterlagen?“
    Timos
Ton verhieß nichts Gutes. Was hatte er bloß getan, um seinen Chef zu verärgern?
Zum Glück hatte er es mittlerweile geschafft, den Drucker zur Mitarbeit zu
zwingen.
    „Einen
Moment noch, Herr Heinke, ich bin bei den letzten Seiten“, erwiderte er so
respektvoll wie möglich.
    Ihm
entgingen die bedeutsamen Blicke zwischen Timo und den Anzugtypen nicht. War da
irgendetwas im Busch? Als er die Unterlagen übergeben hatte, schickte Timo ihn
zum Aufräumen ins Lager. Ein Job, den normalerweise der Azubi übernahm.
Benjamin kochte innerlich vor Ärger. Anscheinend hatte er seinen Chef völlig
falsch eingeschätzt. Er hätte ihn jedenfalls nicht für einen dieser
Schleimschnecken gehalten, die den Vorgesetzten hinterherkrochen und dafür
sorgten, das alle unter ihnen auf der Spur kleben blieben, indem sie diese nach
oben schlecht machten. Oder sich die Leistungen anderer auf die eigene Fahne
schrieben.
    Was hast du erwartet ?, dachte er, enttäuscht
und immer noch verärgert. Wer sich bereits mit achtundzwanzig einen solch hohen
Posten gesichert hatte, konnte sich nun mal besonders gut verkaufen.
Diejenigen, die besonders gute Arbeit leisteten, brauchte man schließlich an
der Schaffensfront, nicht im Chefsessel.
    In
den drei Monaten, die Benjamin schon hier war, hatte er Timo eigentlich als
kompetenten Mann schätzen gelernt, der sich für seine Leute einsetzte. Tja. Bis
eben zum Auftritt der oberen Garde.
    Mit
deutlich mehr Energie als notwendig sortierte Benjamin die Kartons und Regale
des kleinen Lagerraums, in dem vor allem Büromaterial aufbewahrt wurde. Ja, er
hatte sich blenden lassen. Kein Wunder, Timo war genau sein Typ: groß, nicht zu
schmal, aber auch kein Muskelprotz. Er hatte trotz seiner zweiunddreißig Jahre
etwas Jungenhaftes an sich, wenn er lachte – und Timo lachte gerne und oft. Es
brachte seine blauen Augen zum Strahlen, die zwar ein klein wenig eng
beieinander standen, doch das unterstrich den schelmischen Ausdruck. Das
haselnussbraune Haar fiel in leichten Wellen bis auf Timos Schultern. Es
kostete Benjamin regelmäßig eine Menge Selbstbeherrschung, während der
Teambesprechungen nicht allzu offensichtlich auf seinen Chef zu starren und
davon zu träumen, durch diese Haare wühlen zu dürfen. Zudem gehörte Timo zu
jenen Männern, die stets den perfekten Bartschatten präsentierten – gerade lang
genug, dass es sexy statt ungepflegt wirkte. Seufzend fuhr Benjamin sich über
die eigenen Stoppeln, die er heute Morgen aus

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