Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
lachen hörte. Dann trollte er sich in rotem Flanellschlafrock und Pyjamaaus dem Zimmer und suchte bei seinem Vater Zuflucht, von dem er wußte, daß er ihn nicht wieder ins Bett schicken würde. »Das hat man nun davon, Familienvater zu sein«, sagte der, gab Toddy drei getrocknete Pflaumen und etwas Wasser in einem Glase, in dem vorher Wein gewesen war, und ermahnte ihn, still zu sitzen. Todd lutschte die Pflaumen mit großer Bedachtsamkeit, denn er wußte, er würde danach wieder ins Bett gehen müssen und nippte wie ein Mann von Welt an seinem rosa Wasser, während er der Unterhaltung lauschte. Nach einer Weile erwähnte der juristische Beirat, der mit irgendeinem Abteilungsleiter fachsimpelte, seine Gesetzesvorlage, und zwar nannte er sie bei ihrem vollen Namen: »Der revidierte Ryotwary Submontan-Distrikts-Akt.« Toddy verstand nur das eine, unheimliche Wort, erhob seine kleine Stimme und sagte:
»Oh, darüber weiß ich Bescheid! Hat man denn schon murramuttiert, Onkel Staatsrat Sahib?«
»Was sagst du?« fragte der juristische Beirat.
»Murramuttiert – verbessert –, du weißt doch – schön gemacht, damit er Ditta Mull gefällt?«
Der juristische Beirat erhob sich von seinem Platz und setzte sich neben Todd.
»Was verstehst du von Ryotwary, kleiner Mann?« forschte er.
»Ich bin kein kleiner Mann, ich bin Toddy und ich verstehe alles davon. Ditta Mull und Choga Lall und Amir Nath und – und viele, viele meiner Freunde erzählen mir davon, in den Bazaren, wenn ich mich mit ihnen unterhalte.«
»So, – tun sie das – wahrhaftig? Was erzählen sie denn, Toddy?«
Toddy steckte seine Füße unter den roten Flanellschlafrock und sagte: »Ich muß mal überlegen.«
Der juristische Beirat wartete geduldig. Dann sagte Toddy mit unendlichem Mitleid:»Du kannst nich meine Sprache, nich, Sahib Staatsrat?«
»Nein, leider muß ich gestehen, daß ich sie nicht kann,« sagte der juristische Beirat.
»Gut,« bemerkte Toddy, »dann muß ich Engliß überlegen.«
Eine volle Minute brachte er seine Gedanken in Ordnung; dann hub er an, sehr langsam, jeden Begriff erst von der Landessprache ins Englische übersetzend, wie viele anglo-indische Kinder es tun. Im Auge zu behalten ist, daß der juristische Beirat ihm mit Fragen half, wenn er stockte, denn ganz war Toddy der folgenden, ausgiebigen rednerischen Leistung doch nicht fähig:
»Ditta Mull sagt: ›Dieses Ding ist der Unsinn eines Kindes und ist von Narren gemacht.‹ Aber ich finde nich, daß du ein Narr bist, Onkel Staatsrat Sahib«, fügte Toddy hastig hinzu. »Du hast mir meine Ziege gefangen. Und das sagt Ditta Mull auch: ›Ich bin kein Narr, und weshalb sollte der Sirkar sagen, daß ich ein Kind bin? Ich kann sehen, ob das Land gut ist und ob der Grundherr gut ist. Bin ich ein Narr, so komme die Sünde über mein eigenes Haupt. Auf fünf Jahre nehme ich das Land, für das ich Geld gespart habe, und ich nehme auch eine Frau und es wird mir ein kleiner Sohn geboren.‹ Ditta Mull hat jetzt nur eine Tochter, aber er sagt, bald wird er auch einen Sohn bekommen. Und er sagt: ›Nach fünf Jahren muß ich, so wie das neue Gesetz es vorschreibt, wieder gehen. Und wenn ich nicht gehe, muß ich neue Siegel und Stempelmarken auf das Papier kleben, vielleicht gar mitten in der Ernte, und einmal sich an die Gerichten wenden ist Weisheit, zweimal aber »Johannum« (die Hölle).‹ Und das ist ganz richtig,« fügte Toddy ernsthaft hinzu. »Alle meine Freunde sagen es. Und Ditta Mull sagt: ›Alle fünf Jahre wieder neue Steuern und Geld für Advokaten und Gerichtsdiener und Gerichtshöfe, sonst jagtmich der Grundherr fort. Weshalb sollte ich aber gehen wollen? Bin ich ein Narr? Und wenn ich ein Narr bin und selbst nach vierzig Jahren nicht gutes Land erkenne, wenn ich es mit eigenen Augen sehe, so laßt mich sterben. Wenn aber das neue Gesetz fünfzehn Jahre sagte, dann wäre es gut und weise. Dann ist mein kleiner Sohn ein Mann geworden und ich bin längst verbrannt, und er nimmt sich diesen oder irgendeinen anderen Grund und braucht nur einmal Stempelmarken zu bezahlen, und auch sein kleiner Sohn wird geboren und nach fünfzehn Jahren ein Mann werden. Wo hingegen liegt in fünf Jahren und immer neuen Papieren der Gewinn? Nichts liegt darin als »Dikh«, – Unruhe, – »Dikh«. Wir, die wir dieses Land nehmen, sind keine jungen Männer, sondern alte – keine »Jats«, sondern Kaufleute mit ein wenig Geld – und wir wollen fünfzehn Jahre lang Frieden
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