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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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sie nach dem kranken Kind gesehen, sie hatte fast eifersüchtig mit der Krankheit gekämpft. Und zum Schluß hatte sie das Fieber besiegt. Wenn sie jetzt käme? Nichts – eins der acht Betten hatte geknarrt. Das war Lisa Wedigen, die schlief immer so unruhig. Wenn doch einer – wenn doch einer – wenn doch einer... Morgen war Baden im See. Da spritzen einen die Mädchen immer so mit Wasser. Wenn doch einer –
    Die Hände des Kindes tasteten vorsichtig unter das Kopfkissen, suchten im Laken, verschoben alles. Fort? Nein. Sie waren noch da.
    Unter dem Kopfkissen lagen, verwelkt und zerdrückt, zwei kleine Glockenblumen.

Drittes Kapitel
Ei ist Ei, sagte jener –
und nahm das größte.
     
    Wir beugten uns beide über den Brief und lasen gemeinschaftlich:
    Lieber Freund!
    Ich habe in diesem Jahr noch acht Tage Urlaub gut und würde die gern mit Dir und Deiner lieben Frau Freundin verleben. Wie ich höre, seid Ihr in Schweden. Lieber Freund, würdest Du wohl Deinen alten Kriegskameraden, der Dir in so manchem Granattrichter den Steigbügel gehalten hat, bei Euch aufnehmen? Lieber Freund, ich zahle auch das Reisegeld für mich allein; es ist mir sehr schmerzlich, für mich allein etwas bezahlen zu müssen; es ist dies sonst nicht meine Art, wie Du weißt. Schreibe mir bitte, wie ich zu Euch fahre, lieber Freund.
    Kann ich da wohnen? Wohnt Ihr? Sind da viele Mädchen? Soll ich lieber nicht kommen? Wollen wir uns gleich den ersten Abend besaufen? Liebst Du mich?
    Ich sende Dir beigebogen in der Falte das Bild meines Fräulein Tochter. Sie wird so schön wie ich.
    Lieber Freund, ich freue mich sehr, Euch zu sehen, und bin Euer gutes
    Karlchen
     
    Darunter stand, mit Rotstift, wie ein Aktenvermerk: »Sofort! Noch gestern! Eilt unbeschreiblich!«
    »So«, sagte ich. »Da hätten wir ihn. Soll er kommen?«
    Braun war die Prinzessin und frisch. »Ja«, sagte sie. »jetzt kann er kommen. Ich bin ausgeruht, und wenn er überhaupt nach acht Tagen wieder wegfährt? Abwechslung ist immer gut.« Demgemäß schrieb ich.
    Wir waren in der Mitte der Ferien.
    Baden im See; nackt am Ufer liegen, an einer versteckten Stelle, sich voll Sonne saugen, daß man mittags herrlich verdöst und trunken von Licht, Luft und Wasser nach Hause rollt; Stille; Essen; Trinken; Schlaf; Ruhe – Urlaub.
    Dann war es soweit. »Wollen wir ihn abholen?« – »Halen wi em aff.«
    Es war ein strahlender Tag – ein Wetter, wie die Prinzessin sagte, ein Wetter zum Eierlegen. Wir gingen auf den Bahnhof. So ein winziger Bahnhof war das; eigentlich war es nur ein kleines Haus, das aber furchtbar ernst tat und vor lauter Bahnhof vergessen hatte, daß es Haus war. Da lagen auch zwei Schienenpaare, weil die ja zu einem Bahnhof gehören, und hinten kam der Waggon angeschnauft. Einen Zug gab es hier nicht – nur einen Motorwagen. Er hatte sich einen kleinen Schornstein angesteckt, damit man es ihm auch glaubte. Einfahrt. Gezisch. Karlchen.
    Wie immer, wenn wir uns lange nicht gesehen hatten, machte er eine gleichmütig-freundlich-dümmliche Miene, so: »Na ... da bist du ja...« Er kam auf uns zu, der Schatten der kommenden Begrüßung lag schon auf seinem Gesicht, in der Hand trug er ein kleines Köfferchen. Der Bursche war gut gewachsen, und sein leicht zerhacktes Gesicht sah »jung und alert« aus, wie er das nannte.
    Guten Tag – und dies ist ... und das ist ... gebt euch mal die Hand ... und: Wo hast du denn das große Gepäck? – Als die Präliminarien vorbei waren: »Na, Karlchen, wie war denn die Reise?«
    Er war nach Stockholm in einem Flugzeug geflattert, und heute mittag war er angekommen ... »War es schön?« – »Na...«, sagte Karlchen und fletschte nach alter Gewohnheit das Gebiß – »da war eine alte Dame, die hatte Luftbeschwerden. Gib mir mal'n Zigarettchen. Danke. Und da haben sie doch diese kleinen Tüten ... Zwei Tüten hatte sie schon verbraucht, und dann bekam sie nicht rasch genug die dritte, und der Mann neben ihr muß sich nun einen neuen Sommerüberzieher kaufen oder den alten reinigen lassen. Ich saß leider nicht neben ihr. Die sonstige Aussicht war sehr schön. Und wie gefällt es denn der Gnädigsten hier?«
    Wenn Karlchen »Gnädigste« sagte, woran er selber nicht glaubte, dann machte er sich ganz steif und beugte den Oberkörper fein nach vorn; dazu hatte er eine bezaubernde Bewegung, den Unterarm mit einem Ruck zu strecken und ihn dann mit spitzem Ellenbogen wieder einzuziehen, wie wenn er nach seinen Manschetten sehen

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