Schlüsselspiele für drei Paare
Herren, eine Geheimtür hinter Schillers ›Geisterseher‹ zu verstecken?«
Er stieg in den Wagen aus Pullach und machte es sich in den Polstern bequem. Und zum erstenmal sagte jemand etwas, es war einer aus der Begleitung von Oberst Reiners, was allen anderen schon lange auf der Zunge lag:
»Ich glaube, der Kerl ist wahnsinnig.«
Die Befreiung Julias aus dem Kellergewölbe war eine Sache von Minuten. Durch Funk befahl Singert einen Streifenwagen – Isar 7 – nach Bogenhausen. Die Polizeibeamten stürmten den Keller gerade in der Minute, in der Julia auf dem doppelflammigen Gaskocher sich eine Suppe aus Büchsen kochte.
Mit einem Aufschrei fiel sie den Polizisten um den Hals, und die Suppe kochte über.
Mit Isar 7 fuhr sie sofort ins Krankenhaus, wo Studienrat Bentrob dahindämmerte. Die Schwermut hatte ihm allen Lebensmut, alle Kraft genommen.
Als Julia ins Zimmer trat, die Arme ausbreitete und »Guten Tag, Väterchen!« rief, bekam er einen neuen Schock, aber einen heilsamen. Wie eine Gasflamme, die bisher auf Sparflamme gedreht war und nun volle Kraft bekam, lebte Studienrat Bentrob auf. Was zunächst unmöglich schien, geschah: Nach einer Stunde ging er am Arm Julias durchs Zimmer spazieren und sagte zu der Stationsschwester: »Ich habe einen Bärenhunger.«
Bisher hatte er nur wenige Bissen gegessen, und auch diese nur nach langem, gütigem Zureden.
Nach drei Tagen konnte Studienrat Bentrob entlassen werden. Ernst Fallers holte ihn ab, und sie betraten das Haus wie zu einer einmaligen Feier. Haustür, Diele, alle Zimmer waren mit Blumen und Tannenzweigen geschmückt. Der sprechende Beo, ein schwarzer, starähnlicher Vogel in einem großen weißen Bauer, den Bentrob sich nach dem Tode seiner Frau gekauft hatte, spreizte das Gefieder und rief krächzend: »Dummkopf! Sei lieb! Iiiiiidiot!«
»Kinder, das Leben ist schön!« sagte Studienrat Bentrob, als er wieder in seinem alten Sessel saß, Pantoffeln an den Füßen, und die Wohnung nach Kaffee duftete. »Wenn ihr verheiratet seid … das eine sage ich euch: Ihr zieht hierher! Ich brauche nur ein Bett und meinen Schreibtisch. Ich habe doch nie gewußt, wie sehr mir Menschen fehlen und wie schrecklich es ist, plötzlich einsam zu sein –«
Im Januar, an einem glasklaren, kalten Tag voller Sonne und leuchtendem Schnee, heirateten Julia und Ernst in der schönen romantischen alten Kirche von Rottach am Tegernsee. Dann fuhren sie auf ihren Skiern hinein in die Berge und Täler, in die schweigende weiße Einsamkeit und die vom Schnee vermummten Wälder. In einer Skihütte, ganz allein, verbrachten sie die erste gemeinsame Woche.
Das Kind, das Julia in sich trug, die Erinnerung an jene schreckliche Nacht, die mit dem Suchen von Autoschlüsseln im Dunkeln begonnen hatte, war ihr gemeinsames Kind geworden. »Es soll ein anständiger Mensch werden«, sagte sie, als sie nebeneinander unter den dicken Decken lagen und draußen der Nachtwind um die Skihütte tobte. »Und es wird nicht allein bleiben …«
»Bestimmt nicht, Julia.«
»Ich bin glücklich, Ernst.«
»Ich auch, Julia.«
»Ich liebe dich –«
Über das flache Hüttendach trieb der Schnee.
Man wird fragen: Was geschah mit Rita Camargo und Friedrich Volbert? Man weiß es nicht. Sie stiegen in Rio de Janeiro aus, nahmen ein Taxi, fuhren in die Millionenstadt und blieben von da an verschwunden. Sie wurden aufgesaugt wie von einem riesigen Schwamm.
Eva Volbert mußte ausziehen. Die Villa wurde gepfändet. Die Vereinigten Elektrowerke als Gläubiger kauften sie auf der Auktion. Zum nächsten Sommer zog ein neuer Mieter ein. Der Nachfolger Volberts. Direktor Friedhelm Weiße. Er war ein vertrauenswürdiger Mann und Landtagsabgeordneter. Er führte eine gute Ehe und hatte sieben Kinder. Der Gedanke an ein Schlüsselspiel würde ihm nie kommen. Das war unmöglich.
Eva Volbert zog sich in die Schweiz zurück. Marlies Düppel erzählte später, daß sie dort einen Bankier kennengelernt habe. Dreißig Jahre älter als Eva. Mit zu hohem Blutdruck. Ein Witwer.
Wie hatte Friedrich Volbert gesagt: Ein Mensch wie Eva geht nicht unter. Sie hat die Sonne des Lebens gepachtet.
Und die neue Sonne in der Schweiz war fünf Millionen Fränkli wert –
Von da an war es still.
Ob man Fritz Ollenhoff, der sich einmal Peter Ostra nannte, den Prozeß machte, ob er an die USA ausgeliefert wurde, ob er deutsche Richter bekam, ob er gestand oder elegant wie immer leugnete … keiner hat es je erfahren. Die
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