Schluss mit der Umerziehung!
manchmal â vor allem aber muss sie Befriedigung verleihen, ähnlich einer anstrengenden Bergtour! Braucht es dazu Quoten? Wahrscheinlich. Aber besser wären andere Hebel. Und ganz sicher können Quoten nicht allein die nötige Tiefe und Nachhaltigkeit der Veränderung herstellen.
Damit kommen wir zum letzten und unerwarteten Aspekt, der dieses Buch auf der Zielgeraden ganz unverhofft mitgeprägt hat: Mein ebenso plötzlicher wie später Einstieg in die Welt der Politik, als »Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung«, in die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg. Die Bitte des angehenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dieses Amt zu übernehmen, ereilte mich am 9 . Mai 2011 , meinem 65 . Geburtstag. Nach intensiver Rücksprache mit meinem Mann stimmte ich zu, wohl wissend, dass dies unser Leben noch einmal heftig durchschütteln würde. Viele Frauen sagen mir seitdem, dass ihnen allein die Tatsache, dass in meinem Alter ein solcher Einstieg für eine Frau in die Politik noch möglich ist, Hoffnung für ihr eigenes Leben macht. Es stimmt: Ich bin in diesem Amt auch Ausdruck dafür, dass nicht nur Frauen und die Politik sich ändern, sondern auch, dass unsere Generation anders altern möchte als bisher, mit spannenden Aufgaben. Dabei kann es auch bisweilen mit weniger Geld gehen â mein Amt als Staatsrätin ist kein voll bezahltes Ministeramt, sondern ein Ehrenamt mit Aufwandsentschädigung, dafür aber mit allen Stimmrechten einer Ministerin.
Mit der plötzlichen Ãbernahme dieser neuen Aufgabe fürchtete ich zunächst, nun würde ich mich weit vom Thema dieses Buches entfernen, könnte es vielleicht gar nicht fertigstellen oder womöglich täte sich ein politischer Widerspruch zu meinem Amt auf, schlieÃlich ist dieser Text mit niemandem aus den Gremien abgestimmt. Er steht auch nicht für eine Partei oder gar die grün-rote Regierung. Allerdings liefert auch Baden-Württemberg für seine Problemstellung manches »Material«: Die Beteiligung von Frauen an der Politik, die nur 18 Prozent der Abgeordneten â und damit weniger als in der letzten Legislaturperiode â stellen, ist äuÃerst gering und signalisiert ein grundsätzliches Defizit an Bürgerinnen beteiligung im Land, zumindest auf der Ebene der repräsentativen Demokratie.
Kein Zufall, kann ich als Autorin dieses Buches sagen: Gerade auch die Politik sowie viele bisherige Formen der Bürgerbeteiligung, »runden Tische« und Expertenkommissionen sind zutiefst geprägt von den Barrieren, die eine Kooperation der Geschlechter auf Augenhöhe verhindern; nicht nur die Zeitbudgets, die Fragestellungen, Diskussionsstile, Sitzordnungen und auch die zuweilen etwas bauerntheatermäÃig anmutende Debattenführung im Landtag sind wenig geeignet, Frauen anzusprechen und dazu einzuladen. Sicher, sicher, es geht um objektive Anforderungen und Aufgaben, aber eben auch um die innere Zugehörigkeit. Vieles, was geschlechtsneutral scheint, ist, ganz ungewollt und unschuldig, Männern oder â wenn auch viel seltener â Frauen »auf den Leib geschneidert« und grenzt das jeweils andere Geschlecht aus.
Und doch befinde ich mich â mit einem Bein in Stuttgart, wo ich etwa vier Tage meinem neuen Amt widme, und einem Bein in Berlin, wo ich dieses Buch fertigstelle und noch in meiner Firma beratend tätig bin â mit beiden Beinen, theoretisch wie praktisch, mitten in meinem Herzensthema: dem lösungsorientierten Umgang mit Konflikten, der aktiven Einbindung von Menschen, die sich zu wenig Gehör verschaffen können: Frauen, jungen Leuten, Senioren, den verzweigten kritischen Online-Communitys. Es gilt, sinnvolle und frühzeitige transparente Verfahren für die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern durch die Verwaltungen zu entwickeln, ob es nun um die bessere Versorgung von alternden Migrantinnen und Migranten geht, um neue Kriterien für die Verleihung von Ehrennadeln oder um die Einbeziehung von Bäuerinnen in die Planung neuer Windräderparks, sodass sie auch wirtschaftlich an der Windernte beteiligt sind.
Ein dicht besiedeltes Land, das sich in einer »neuen Gründerzeit« befindet, braucht viele Diskussionen, wenn es um neue groÃe Infrastrukturprojekte geht, und es muss dennoch in vernünftigen Zeiträumen zu Entscheidungen finden können. Ich
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