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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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seiner Tätigkeit in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt erworbenes psychologisches Geschick.
    Es war verlockend gewesen, der Tretmühle eintöniger Schreibtischarbeit und immer wieder um dieselben Themen kreisender Besprechungen hinter Gefängnismauern zu entrinnen, und so hatte er sich dazu verleiten lassen, seinen alten Job aufzugeben und sich einer neuen Aufgabe zu stellen, die ihn prompt mitten in einen Fall führte, dem schon auf den ersten Blick das Etikett des Außergewöhnlichen anhaftete. Daß dieser Fall tatsächlich alle Normen sprengen und ihn kaputtmachen sollte, hatte er allerdings nicht mal in seinen schlimmsten Alpträumen ahnen können.
    Er preßte sekundenlang die Lider zusammen, um all die Erinnerungen auszublenden, die ständig am Rand des Bewußtseins darauf lauerten, daß seine Wachsamkeit nachließ und sie sich seiner bemächtigen konnten. Auch ein Grund dafür, daß er so miserabel schlief. Das Wissen, was Träume in ihm anrichteten, war wahrhaftig kein Anreiz, einzudösen und ihnen die Kontrolle über sein Unterbewußtsein zu überlassen.
    Das Wolkenband glitt wie ein träge durchs Wasser dümpelnder Fisch aus seinem Blickfeld. Er schwang sich aus dem Bett, tapste nach unten in die Küche, goß Wasser in den unteren Teil der italienischen Kaffeemaschine, löffelte dunkelbraun geröstetes Pulver in das Mittelteil, schraubte das leere Oberteil auf und stellte den Aluminiumtopf auf den Gasherd. Wie gewöhnlich dachte er dabei an Carol Jordan. Sie hatte ihm den Topf mitgebracht, seinerzeit, als der Fall gelöst und er aus dem Krankenhaus entlassen worden war. »Sie werden sich eine Weile schwertun, ins Café zu spazieren«, hatte sie gesagt. »Mit dem Ding können Sie sich wenigstens zu Hause einen anständigen Espresso machen.«
    Es war ein paar Monate her, seit er und Carol sich zuletzt gesehen hatten. Sie hatten nicht mal Gelegenheit gefunden, ihre Ernennung zum Detective Chief Inspector zu feiern. Was deutlich zeigte, wie fremd sie sich geworden waren. Am Anfang, nach seiner Zeit im Krankenhaus, war sie, wann immer die Hektik ihres Jobs es zuließ, bei ihm vorbeigekommen. Aber allmählich war ihnen beiden klargeworden, daß ihre Gedanken bei diesen Begegnungen nur um das Spektrum des gerade abgeschlossenen Falles kreisten, und das beherrschte ihr Denken derart, daß es alles andere, was vielleicht zwischen ihnen möglich gewesen wäre, im Ansatz erstickte. Er hatte rasch begriffen, daß Carol besser als andere zu interpretieren vermochte, was sie beim Blick in sein Ich sah. Und er wollte einfach nicht das Risiko eingehen, sich einem Menschen wie ihr zu öffnen. Denn wenn sie erkannte, wie sehr er sich bei seiner Arbeit infiziert hatte, würde sie sich womöglich von ihm abwenden.
    Und wenn das geschah, mußte er befürchten, daß er seine Aufgabe nicht mehr erfüllen konnte. Aber seinen Job zu tun war zu wichtig für ihn, als daß er das riskieren wollte. Was er tat, rettete Menschen das Leben. Und er machte es gut. Möglicherweise war er sogar einer der Besten, weil er die Abgründe in einem Menschen verstand. Das alles aufs Spiel zu setzen wäre ein unverzeihlicher Fehler gewesen – erst recht jetzt, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zukunft der neugegründeten Profilergruppe von ihm abhing.
    Was manch einer für einen Opfergang hielt, war lediglich die Dividende aus seiner bisherigen Arbeit. Man ließ ihn tun, worauf er sich besonders gut verstand, und bezahlte ihn auch noch dafür. Ein müdes Lächeln huschte über sein Gesicht. Mein Gott, hatte er ein Glück.
     
    Shaz Bowman hatte volles Verständnis dafür, daß Menschen Morde begehen. Die Erkenntnis hatte nichts mit ihrem neuen Job oder dem durch ihn bedingten Umzug in eine andere Stadt zu tun, sondern ausschließlich mit dem Pfusch, den sich die Klempnerkolonne bei der Installation der Wasserleitungen in der neuen Wohnung geleistet hatte. An sich hatten die Bauherren bei der Umgestaltung des viktorianischen Herrenhauses eines Grubenbesitzers in abgetrennte Wohnungen eine geschickte Hand bewiesen. Sie hatten die Fassade erhalten und nicht den Fehler begangen, durch allzu kleinliche Raumaufteilung die Stimmigkeit der inneren Proportionen zu zerstören. Auf den ersten Blick gab es an Shaz’ Wohnung nichts auszusetzen – perfekt bis hin zu den Sprossenfenstern, aus denen der Blick auf den Garten fiel – ihr ganz persönliches, kleines Refugium.
    Nach Jahren in den mit Kommilitonen geteilten Studentenbuden mit bekleckerten

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