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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Blick auf die Peconic Bay, die mir sehr gefällt. Sie antwortete mit einem fröhlichen Lachen und erklärte ihm, bei einem Patienten, der so gesund sei wie er, könne mannichts vorhersagen. Schmidts Simultanübersetzung: Stellen Sie keine dummen Fragen, überlassen Sie es dem Tod und Co., die werden es schon richten. Höflich wie immer, hatte er in das Lachen eingestimmt. In Wahrheit hegte er seine eigenen Vorahnungen: ein Hirnschlag oder Krebs, teuflische Krankheiten, die nicht immer auf schnelle Beute aus sind. Aber ganz gleich, was ihn am Ende traf, niemand, absolut niemand würde ihn in ein Altersheim zwingen. Falls er dann noch bei Verstand und nicht gelähmt war, würde er seinen Weg zum Exitus selbst finden. Andernfalls würden die Instruktionen, die er bei Gil hinterlegt hatte und die dem Freund die Entscheidung über Schmidts Leben und Tod überließen, die Sache regeln – zur Not müßte Gil etwas nachhelfen. Das war nicht mehr verlangt, als er für seinen Freund tun würde, der seinerseits Regelungen getroffen hatte, die Schmidt Entscheidungsvollmacht gaben. Demenz, die Krankheit, die mit der größten Wahrscheinlichkeit sämtliche Fluchtwege abschnitt, fürchtete er mehr als alles andere. Aber über drei Generationen war, soviel er wußte, keiner seiner Vorfahren dement geworden. Die Kehrseite der Medaille, die ansehnliche Seite, war eben seine Gesundheit. War er morgens erst einmal in Gang gekommen, bewegte er sich noch ganz geschmeidig. Wenn er zum Beispiel darüber nachdachte – und das tat er oft –, ob sein Zustand vor dreizehn Jahren in Paris, als er Alice zum ersten Mal besucht hatte, sehr viel anders gewesen war als jetzt, hielt er den Unterschied ehrlich gesagt für nicht nennenswert. Es sei denn, man konzentrierte sich auf die tiefen Furchen, die sich von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln zogen und sich inzwischen noch tiefer eingegraben hatten, auf die eingefallenen Wangen oder die schlaffe, in Falten hängende Haut am Hals. Alles in allem ließen sie ihn dermaßen schwermütig aussehen, daß er der Fratze eines Wasserspeiers glich, wenn er versuchte zulächeln. Die Lage war noch weniger hervorragend, wenn es um seine Libido und seine sexuelle Leistungsfähigkeit ging. Nach ihrer jüngsten Prüfung konnte er sich nur ein »ausreichend« attestieren, allerdings hatte er, wie er Alice versicherte, auch noch nie eine der Wunderpillen probiert, die der tonangebende Tattergreis Bob Dole im Fernsehen anpries. Außerdem war der besagte Test unfair gewesen: Die Dame, die er womöglich enttäuscht hatte, konnte der unvergleichlichen Alice nicht das Wasser reichen. Er war alt, und die Zeit hatte ihm übel mitgespielt, aber war es deshalb verwerflich, wenn er die überteuerten Forderungen der Hampton-Mafia, der Gärtner, Hilfsarbeiter, Zimmerleute und Klempner in Kauf nahm, nur weil es ihm Vergnügen machte, sein Haus in bester Ordnung zu halten? Oder daß er Schecks ausstellte für die ungeheuerlichen Grundsteuern zur Finanzierung der städtischen Dienstleistungen, die säuberlich auf der Steuerrechnung aufgelistet waren, wie zum Hohn, um ihm zu beweisen, daß er keinen persönlichen Vorteil aus seinen Zahlungen zog? Wer weiß wie viele Männer kriegten keinen mehr hoch, und viele Frauen hatten ihre Orgasmen immer nur vorgetäuscht, bis sie endlich verkünden konnten, in ihrem Alter hätten sie die ganze Sache aufgegeben, und diese Leute lebten in Häusern, die viel grandioser waren als seines. Und gaben mehr Geld aus als er! Warum sollte er es nicht genauso machen? Irgendwo mußte er wohnen, dies war der Ort, der ihm am liebsten war. Wer wollte sich beschweren? Es war sein Geld, also konnte er es ausgeben oder verschenken. Er hatte keine gesetzlichen Erben mehr, und die von ihm ausgesetzten Vermächtnisse waren durch die Erbmasse mehrfach gedeckt, so daß für die Universität Harvard eine hübsche Summe übrigblieb. Es sei denn, er entschied sich, Alice den größten Teil dieses Geldes zu vermachen; in dem Fall würde Harvard immer noch eineelegante Schenkung erhalten; extravagant wäre sie allerdings nicht mehr.
    Noch vier Stunden, dann war Alice in Bridgehampton! In seinem Haus. Unter seinem Dach würde sie schlafen. Hätte er sie lieber anderswo empfangen? Vielleicht in einem herzigen Häuschen in Sag Harbor mit welligen Fußböden und ewigem Schimmelgeruch? Die Antwort war ein lautes, deutliches Nein: Koste es, was es wolle!
    Er sagte Sonja Bescheid, daß er einkaufen gehe, und, nein, sie

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