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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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dass er ohne Spende nur
noch zwei oder drei Monate hätte, hat sie uns reinen Wein eingeschenkt, was
diesen Mann anging. Und auch nur, weil wir sie inständig darum gebeten haben.
Eigentlich haben wir sie richtiggehend bekniet.«
    »Wusste sie, wo er
lebte?«
    »Sie wusste alles von
ihm. Nachdem sie das Geheimnis gelüftet hatte, kam immer mehr aus ihr heraus.
Sie sprudelte wie ein Wasserfall. Wie es damals war und so. Im Karlshof.
Nächtelang haben wir zusammengesessen und gequatscht. Irgendwann hat sie uns
erzählt, dass sie ihn damals am liebsten umgebracht hätte, weil er so gemein
war zu ihr. Sie hatte damals schon ein Messer unter dem Bett liegen gehabt,
aber als er da war, hatte sie wohl doch der Mut verlassen.«
    »Warum hat sie ihn nicht
angezeigt?«
    »Das haben wir auch
gefragt. Sie hat geantwortet, dass es damals eine andere Zeit gewesen ist.
Niemand hätte einem Heimkind geglaubt, niemand. Wenn irgendwo in Wabern etwas
geklaut wurde, waren es immer die Karlshöfer, nie jemand anders. Einmal, hat
sie uns erzählt, ist sie beim Jugendamt hier in Kassel gewesen. Das war,
nachdem er sie zum ersten Mal vergewaltigt hatte. Die Tussi, bei der sie
gelandet ist, hat in ihrem Beisein mit dem Heimleiter telefoniert, der das
ganze als Hirngespinst einer Pubertierenden abgetan und wohl Stein und Bein
geschworen hat, dass an der Sache nicht das Geringste dran wäre. Das war’s
dann. Die Frau vom Jugendamt hat sie zurück in den Karlshof geschickt und auch
noch dafür gesorgt, dass ihr einen Monat lang das Taschengeld gestrichen wurde.
So einfach ging das damals wohl.«
    »Wann und wie haben Sie
Herrn Bauer kennengelernt?«
    »Im Januar. Petra hatte
uns seine Telefonnummer und seine Adresse gegeben. An einem Abend haben wir
unseren ganzen Mut zusammengenommen und ihn angerufen.« Sie drückte die
Zigarette in den Aschenbecher und griff zu der Packung auf dem Tisch, zog
umständlich eine heraus, zündete sie jedoch nicht an, sondern ließ sie durch
die Finger der linken Hand gleiten. »Seine Frau war am Telefon. Ich habe sie
gefragt, ob ich ihren Mann sprechen könnte. Sie hat ja gesagt und ihm den Hörer
weitergegeben.
    »Was ist dann passiert?«,
hakte der Kommissar nach, weil die Frau nicht weitersprach.
    »Er ist ans Telefon
gekommen und hat sich gemeldet. Ich habe ihm gesagt, wer wir sind, und dass wir
uns gern mit ihm treffen würden.«
    Wieder stockte sie. Lenz
ließ ihr ein paar Sekunden Zeit, weil ihr das Sprechen über die Situation
offensichtlich große Schwierigkeiten bereitete.
    »Und?«, fragte er
schließlich.
    »Er fing an, mich zu
beschimpfen. Ich sei die Tochter eines Flittchens, hat er gesagt, und dass er
sich nie mit uns treffen würde. Vermutlich bist du genauso ein Flittchen
wie deine Mutter,
hat er gebrüllt. Ich
kam nicht einmal dazu, von Norbert und der nötigen Knochenmarkspende zu erzählen,
weil er einfach nicht zugehört hat. Er hat geschimpft und geschimpft und dann
einfach den Hörer auf die Gabel geknallt. Und damit basta,
das war das Letzte, was er geschrien hat.«
    »Sie haben ihn also nie
getroffen?«
    Sie schüttelte wie in
Trance den Kopf. Offenbar durchlebte sie das Telefongespräch erneut. »Doch, ich
habe ihn einmal kurz gesehen«, korrigierte sie sich. »Irgendwann im Frühjahr
wollte Roman ihn mir unbedingt zeigen. Er ging immer zur gleichen Zeit
einkaufen, und da haben wir auf dem Parkplatz des Supermarkts gewartet und ich
habe ihn mir angesehen.«
    Lenz holte tief Luft.
»Wussten Sie zu diesem Zeitpunkt schon, dass Sie ihn töten wollten?«
    Ein kurzes, kaum
erkennbares Nicken.
    »Bitte, Frau Bade?«
    »Ja«, antwortete sie mit
erstaunlich kräftiger Stimme.
    »Wer ist zuerst auf die
Idee gekommen? Sie oder Ihr Bruder?«
    »Es war unsere gemeinsame
Idee. Wir lagen …, wir haben …«
    Lenz ließ ihr wieder ein
wenig Zeit.
    »Im Frühling ist zuerst
Petra und kurz danach auch Norbert gestorben. Norbert hat gelitten wie ein
Hund, bis er endlich tot war, und das, obwohl es vielleicht eine Rettung
gegeben hätte für ihn. Das war der Zeitpunkt, wo uns klar wurde, dass dieser
fiese Mistkerl sterben musste.«
    »Wussten Sie, dass seine
Frau auch im Sterben lag?«
    Wieder nickte sie. »Nur
deshalb haben wir ja gewartet bis zu dieser Woche. Wir wollten nicht, dass sie
…, ich meine, dass …«
    »Die Frau wusste nichts
von Ihnen und Ihren Brüdern?«
    »Keine Ahnung. Petra war
sich sicher, dass sie es wusste, aber wir

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