Schnapsdrosseln - Kriminalroman
muss. Aber das ist keine Entschuldigung. Ich habe mich auf eine überflüssige und schmierige kleine Affäre eingelassen. So voller Klischees, dass es ihm und mir schnell über war. Keine große Sache, ein Ausrutscher, ich dachte, ich kann das einfach vergessen, muss nie wieder daran denken.«
Abermals hielt sie inne. Obwohl sie jetzt nicht mehr zurückkonnte. »Er war es!« Die Worte klangen gepresst. »Er hat die Sache gedeichselt. Es war längst Schluss zwischen uns, aber er hat Bernd diesen Auftrag verschafft. Eine Hand wäscht die andere, kleine Entschädigung für den gehörnten Ehemann … Er ist so ein Typ. Er hat das genossen. Dafür gesorgt, dass Bernd Bescheid wusste.« Sie schluckte. »Bernd brauchte diesen Auftrag. Er konnte ihn nicht ausschlagen … er konnte einfach nicht. Wir haben nie darüber geredet. Kein Wort über die Sache verloren. Aber sie war ständig präsent. Er hat mich dafür gehasst, glaube ich, jeden Tag. Ich dachte, es verschwindet, ist irgendwann einfach vergessen. Ich habe mir eingebildet, dass man Dinge totschweigen kann. Und während ich mir etwas vorgemacht habe, ist meine Ehe kaputt gegangen. Und dann kam Stefanie zurück …«
Sie kramte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch. »Entschuldige«, sagte sie, nachdem sie sich geschnäuzt hatte. »Ich bin nicht hier, um mir selbst leidzutun. Ich wollte dir nur sagen, dass du dich getäuscht hast in Bernd.«
Sie hatte es ausgesprochen, sie hatte es endlich gesagt. Sie horchte in sich hinein. Suchte nach einem Gefühl der Erleichterung. Aber da war nichts als die vertraute, verhasste Leere.
Anna sah sie an und zog spöttisch eine Augenbraue nach oben. »Was willst du von mir? Mitleid? Absolution?« Sie hob die Hände, begann mit den Fingerspitzen ihre Schläfen zu massieren. »Ich will das nicht hören. Ich will nicht wissen, mit wem du gevögelt hast. Und schon gar nicht, was du dafür bekommen hast. Es ist mir scheißegal. Es ändert nichts!« Sie lachte bitter. »Du hast dich schon immer überschätzt, Maxi. Du hast keine Ahnung, wie egal du mir bist. Du und dein erbärmliches Leben. Du begreifst überhaupt nicht, worum es geht!«
In Maxi glomm ein winziger Funke Zorn. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Aber der selbstgerechte, abweisende Ton tat weh. Diese Weinerlichkeit. Als gelte nur Annas Unglück etwas auf dieser Welt.
»Nein«, sagte sie, »ich begreife nicht, worum es dir geht.«
»Drei Mal«, fauchte Anna. »Drei Mal war ich schwanger. Drei Fehlgeburten. Drei Mal Hoffnung. Teuer erkauft. Mir wäre das Geld so egal, wenn ich es nicht gebraucht hätte. Für mehr Hoffnung. Kannst du dir vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn man das, was man immer gewollt hat, einfach nicht kriegt? Und wenn man ganz allein ist?«
Sie schlang beide Arme um ihren Oberkörper, als müsse sie sich selbst festhalten. »Ich habe Norbert geheiratet, weil er perfekt war. Für das, was ich wollte. Glaubt ihr denn wirklich alle, ich wäre blöd? Mir war klar, dass er nie von seiner Stefanie loskommen wird. Aber sie war weg. Er war da. Und er war sanft, er war liebevoll, fürsorglich. Ein perfekter Vater. Ich habe gedacht, dass wir eine Familie werden. Ich wusste, dass er dann …«
Sie erhob sich abrupt, ging mit hektischen, zornigen Schritten zum Fenster. Sah hinaus in die Gasse, sprach weiter, mit dem Rücken zu Maxi. »Ich lasse mir den Hass nicht nehmen. Ich brauche das, verstehst du? Wen soll ich denn hassen wenn nicht Bernd? Meinen Körper, der mich im Stich lässt? Meinen Mann, den ich mit diesem Schmerz immer weiter weg von mir getrieben habe? Die Welt? Das Schicksal? All die Schlampen da draußen, die aus Versehen und nebenher mal eben schwanger werden?«
Sie wandte sich wieder Maxi zu. »Dieser Hass ist alles, was mir bleibt. Er hält mich aufrecht. Ich weiß, zu was für einer Art Mensch mich das macht. Aber man hat nicht immer die Wahl. Manchmal muss man einfach überleben.« Sie kehrte zum Tisch zurück, setzte sich. »Norbert ist weg. Er wird nicht zu mir zurückkommen. Ich versuche, ihn dafür zu hassen. Oder Stefanie. Sie will ihn nicht. Sie macht ihn noch erbärmlicher, als er ohnehin ist.«
»Sie wollte Bernd.« Maxi lauschte dem Klang der Worte. »Er wollte die Scheidung. Wegen ihr. Du bist verdammt noch mal nicht die Einzige, bei der es schiefläuft!«
Anna sah sie an. »Ich weiß das. Aber ich kann damit nichts anfangen, verstehst du? Ich habe keine Kapazitäten für Mitleid. Ich brauche all mein Mitleid für mich
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