Schnapsdrosseln - Kriminalroman
winzig, unendlich langweilig zudem.
Ihr war bewusst, dass sie arrogant war. Aber sie konnte es nicht ändern. Sie lebte ein anderes Leben, eines, in dem Dinge relevant waren, komplex, anspruchsvoll. Es gab keine Überschneidungen, keine gemeinsamen Interessen und Themen.
Das war kein Problem, man brachte die Treffen hinter sich, zeigte höfliches Interesse. Es war nicht nötig, jeden zu mögen.
Erst als es zum Zerwürfnis gekommen war, hatte Maxi erkannt, dass die Sache auf Gegenseitigkeit beruhte. Sie war insgeheim immer davon ausgegangen, dass Anna sie beneidete. Das taten viele Menschen, Frauen meist, sie hatte sich daran gewöhnt.
Erst im Zuge dieses schrecklichen Streits war ihr aufgegangen, dass Anna sie aufrichtig hasste. Sie und auch Bernd. Sie hatte Dinge gesagt, die Maxi getroffen hatten. Natürlich hatte sie sich das nicht anmerken lassen. Es verbot sich von selbst, auf gewisse Anwürfe zu reagieren.
Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, jetzt zu erkennen, dass das ein Fehler gewesen war. Jetzt, wo alles in Scherben lag.
Sie klingelte.
»Du?« Anna starrte sie an.
Maxi rechnete damit, dass sie die Tür sofort wieder zuschlagen würde. Aber das tat sie nicht.
»Ich möchte mir dir reden.«
Anna gab ein Schnauben von sich. Aber sie trat einen Schritt zurück, öffnete die Tür ein Stück weiter. »Komm rein.«
Während Stefanie sich im Haus um den Tee kümmerte, erkundigte sich Doris interessiert nach Louis’ Eckdaten. Name, Alter, Impfzustand, Wurmkuren. Ihre Fragen waren kurz und sachlich und wirkten irgendwie wohltuend. So wie Doris selbst. Eine praktische Frau mit kurzen Haaren, kurzen Fingernägeln, stabilen Schuhen. Eine, der man kranke Hunde und springende Schafe anvertraute, personifizierte Tatkraft und Organisation.
»Und wie ist es mit den Blähungen?«, fragte sie nun. »Einigermaßen im Griff? Oder hast du dich an den Gestank gewöhnt?«
Britta rollte die Augen. »Wenn mir irgendwer gesagt hätte, dass das ein Dauerzustand ist, dann hätte ich mir die Sache zweimal überlegt. Obwohl ich im Grunde keine Zeit hatte, mir irgendwas zu überlegen. Es war ja nur für ein paar Tage …«
»Ach, die gute alte Nur-für-ein-paar-Tage-Geschichte.« Doris grinste. »Bitte erinnere Steffi jetzt gleich nicht dran, ja?«
Stefanie kehrte eben zurück, mit Kanne und Bechern.
Doris nahm ihren Tee in Empfang. »Du wirst mich gleich rauswerfen«, erklärte sie. »Aber es ist ein Notfall …«
»Nein!« Stefanie klang bestimmt. »Es tut mir leid, aber nein!«
»Nur für ein paar Tage«, sagte Doris und zwinkerte Britta kurz zu. »Ehrlich und ganz sicher nur für ein paar Tage.«
Britta sah hinüber zu Karl und Louis, die angelegentlich in der Hofecke herumschnüffelten.
»Steffi, ich würde dich nicht fragen, wenn ich eine andere Lösung hätte. Ich hab im Tierheim angerufen. Die könnten sie nehmen, aber sie haben kaum Platz. Sie müsste in einen von den großen Zwingern, und das wäre das Ende. Das Tier ist jetzt schon traumatisiert.«
Doris trank einen Schluck Tee. Britta nippte vorsichtig an ihrem Becher und zuckte zusammen. Lippen und Zunge der Tierärztin mussten aus Hornhaut bestehen, wenn sie das schlucken konnte.
»Sie ist eine kleine Giftspritze«, fuhr Doris fort. »Absolut unerzogen. Deshalb brauche ich jemanden, der mit Hunden umgehen kann. Und einen wie Karl, den das nicht aus der Ruhe bringt. Das Tier ist verängstigt. Und verletzt. Die Besitzerin hat sie geschlagen. Und damit meine ich nicht ein bisschen Haue. Damit meine ich einen offenen Rücken.«
»Ein paar Tage«, sagte Stefanie. »Und was ist nach den paar Tagen?«
»Mir fällt was ein«, versprach Doris. »Ich kümmere mich drum. Aber sie kann dort nicht bleiben. Sie muss da noch heute raus. Angeblich hat sie ein Kind gebissen. Es ist möglich, dass sie geschnappt hat, das ist ihr zuzutrauen. Sie ist ein typischer Angstbeißer. Aber sie wiegt gerade mal zwei Kilo. Und die schlägt sie halb tot und verlangt dann von mir, dass ich sie einschläfere!«
Sie schwieg einen Moment. »Manchmal hasse ich den Job wirklich. Was sind das für Menschen? Ich habe ihr gesagt, wir finden eine andere Lösung. Bei ihr kann sie nicht bleiben. Da hab ich keine ruhige Minute. Sie ist ein armes kleines Ding, die Fipsi, und wenn man sie richtig behandeln würde, dann wäre sie vermutlich ein bezaubernder Hund –«
»Fipsi?« Stefanie sah Doris ungläubig an. »Sag bitte, dass du nicht von –«
»Doch.« Doris klang unglücklich.
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