Schnapsdrosseln - Kriminalroman
Gedanken schienen sonderbar verschwommen.
»Was ist passiert?« Die Männerstimme riss sie aus ihrem Dämmer. Sie öffnete die Augen, sah den Mann an, der da im Hof stand. Er erwiderte den Blick entsetzt, drehte sich dann um und rannte ins Haus. Als glaube er, sich so wieder unsichtbar machen zu können.
»Verdammt«, hörte sie Stefanies Stimme. »Das hat mir gerade noch gefehlt!« Sie nötigte Karl und Louis, sich zu erheben, legte ihnen zwei alte Wolldecken hin.
Norbert, dachte Britta. Das war Norbert Reuter gewesen. Obwohl Margot und sie nicht einmal genug Ermittlerverstand an den Tag gelegt hatten, sich ein Foto zeigen zu lassen, hatte sie keine Zweifel.
»Mist«, murmelte sie.
»Das kannst du laut sagen.« Stefanie setzte sich und stellte zwei Flaschen Bier und eine Flasche Schnaps auf den Tisch. Sie wirkte müde, schien sich aber nicht sonderlich über den Vorfall aufzuregen. Sie griff nach dem Feuerzeug, öffnete die Bierflaschen und reichte Britta eine. »Es tut mir leid«, sagte sie dann. »Ich wollte dich nicht anlügen. Ich hatte keine Wahl. Aber immerhin kann man dir jetzt gratulieren – deinen Auftrag hast du wohl erfüllt.«
Britta starrte sie an. »Das ist nicht witzig«, sagte sie. »Verdammt, Stefanie, du kommst in Teufels Küche –«
»Da bin ich schon längst«, unterbrach sie. »Und es gefällt mir da gar nicht, das kannst du mir glauben!« Sie schraubte die Schnapsflasche auf, füllte zwei Gläser. Sie trank, schüttelte sich. Dann sah sie Britta in die Augen. »Er wird sich stellen«, sagte sie, klang fast beschwörend. »Du musst mich nicht davon überzeugen, dass das das einzig Richtige ist. Ich tue, was ich kann, ehrlich. Aber er ist fix und fertig. Und ich konnte ihn nicht einfach vor die Tür setzen. Er ist mein Freund.«
Britta starrte auf das Schnapsglas, das vor ihr stand. Sie hätte am liebsten geweint. Weil irgendwer Hunde vergiftete. Weil Stefanie sie angelogen hatte. Und weil sie nicht mehr unterscheiden konnte, wem sie trauen konnte und wem sie verpflichtet war.
»Er ist unschuldig«, sagte Stefanie jetzt. »Das ist völlig absurd. Er hätte Bernd nie etwas antun können.« Sie sprach leise, eindringlich, fast klang es, als wolle sie sich selbst überzeugen.
Britta sah sie an. »Ich will das nicht hören. Ich will mit der Sache nichts mehr zu tun haben, das ist mein Ernst. Ich bin keine Privatermittlerin, das ist lächerlich. Aber das hier ist auch lächerlich. Idiotisch. Gefährlich, verdammt!«
»Spätestens morgen geht er zur Polizei.«
Britta nickte. Ihr Blick wanderte über den Hof, zu den Hunden. Louis hatte sich an Karl gekuschelt, sie schliefen in trauter Eintracht. Stefanie folgte ihrem Blick.
»Da haben sich zwei gefunden, was?«
Britta nickte. Besann sich dann. »Stefanie, du musst das ernst nehmen. Jemand hat versucht, deinen Hund zu vergiften. Und die Hühner …« Sie griff nach dem Schnapsglas. Medizin, dachte sie, als die Flüssigkeit in ihrem Rachen brannte. Es ist Medizin. »Du musst mir nicht vertrauen«, sagte sie. »Aber ich glaube, dass du in Gefahr bist.«
»Ich kann schlecht die Polizei anrufen, solange er da ist. Aber es ist an der Zeit, reinen Tisch zu machen. Du hast recht. Ich habe mir etwas vorgemacht. Ich dachte, es gibt Dinge, die keinen etwas angehen. Die nichts mit allem zu tun haben. Aber ich beginne zu ahnen, dass ich mich geirrt habe.« Sie sah Britta an. »Es klingt viel dramatischer, als es ist. Aber ich habe einen Entschluss gefasst. Ich bleibe, ich bleibe hier, ich laufe nicht mehr davon. Und ich will keine Geheimnisse mehr. Es gibt nichts, für das ich mich schämen muss.« Sie schraubte erneut die Schnapsflasche auf und schenkte nach. »Es gibt ein paar Dinge, die ich mit Norbert klären muss. Bevor ich mit anderen darüber spreche. Mit dir zum Beispiel. Aber ich möchte mit dir darüber sprechen. Es hört sich vielleicht blöd an, aber ich will wirklich, dass wir Freunde sind. Ich kann Freunde gebrauchen.«
Britta erwog nachzubohren. Aber etwas in Stefanies Ton hielt sie davon ab. Ein erheblicher Teil ihres Gehirns hatte zudem nicht das Geringste dagegen, sämtliche Probleme und Dramen der Welt auf den nächsten Tag zu verschieben. Für heute reichte es ihr. Sie sah auf die Uhr.
»Du musst los, oder? Deine Verabredung …«
»Nein. Ich bin viel zu spät. Ich sage lieber ab.« Britta deutete auf Louis. »Und ich muss ihn beobachten.«
»Du kneifst.« Stefanie hob ihr Glas. »Und das solltest du nicht. Verdammt, Britta,
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