Schnapsdrosseln - Kriminalroman
Hottbender.
»Jetzt hören Sie auf, sie anzuschreien«, hörte Jupp sich zu seiner eigenen Überraschung sagen. »Wir brauchen einen Krankenwagen, wir brauchen sofort –«
»Es war nicht seine Schuld!«, unterbrach Elsa. Sie starrte Dieter böse an. »Es war die Hexe! Sie war immer verdorben. Ihm ein Kind anhängen, einen Bastard. Sie hat ihn völlig irre gemacht! Scheidung, all das dumme Gerede. Das war doch nicht mehr Bernd! Doch nicht mehr mein Sohn! Jemand musste ihn doch zur Vernunft bringen. Und Maxi beschützen vor der Hexe!« Sie kniff die Augen zusammen, verzog das Gesicht, als habe sie etwas Ekliges im Mund. »Ich habe sie beschützt, Dieter. Obwohl das eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre.«
»Was soll das alles?« Hottbender packte Elsa an der Schulter. Sie zuckte zusammen. Genau wie Jupp, dem allein der Gedanke, die verbrannte Haut so zu berühren, fast körperliche Schmerzen bereitete.
»Lassen Sie das«, fuhr er Hottbender an. »Sie braucht sofort einen Arzt.« Er tastete nach seinem Handy, erinnerte sich, dass er es zu Hause gelassen hatte. »Wo ist das Telefon?«
»Da sehen Sie es«, sagte Elsa. »Manchmal rutscht einem die Hand aus! Du tust mir weh, Dieter. Ich weiß, dass du das nicht willst. Es ist kein böser Wille. Das kommt einfach vor. Ich wollte sie zur Rede stellen. Wollte ihm klarmachen, was er da tut. Er ist mit ihr ins Tal gegangen. Sie hat ihn völlig verhext. Und den Reuter, der Reuter ist ihnen gefolgt, wie ein Lämmchen, wie hypnotisiert. Sie hatten alle keine Augen für nichts, nur für die Hexe. Sie haben mich nicht bemerkt. Ich war im Wäldchen, am Bach, es ist leicht, sich da zu verstecken. Er war doch ein guter Junge, mein Bernd, nur verhext. Und dann haben sie über den Bastard gesprochen. Er hat es gut gemeint, und zum Dank hat sie ihn Schwein genannt, hat Gift und Galle gespuckt, und ich war froh, weil ich dachte, jetzt begreift er es endlich. Und dann war sie weg, und ich musste doch mit ihm reden und ihn zur Vernunft bringen. Ihm die Augen öffnen. Es war ja nicht meine Schuld, es war die Schuld der Hexe! Warum musste sie wieder herkommen und sich einmischen und alles kaputt machen? Er hätte früher nie so mit mir geredet. Er war nicht er selbst! Es ist anders gekommen, als ich wollte, aber es war zu seinem Besten. Ich habe es in Ordnung gebracht.«
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Pollux, der aus sicherem Abstand beobachtete, was sich da abspielte. »Komm her, mein Kleiner«, flötete sie, und es klang entsetzlich falsch. »Du mochtest meine Fipsi, nicht wahr? Die süße Fipsi. Bernd hat sie mir geschenkt. Er hat es gut gemeint, sie hat die ganze Wurst gefressen, weil sie die mochte, und sie ist viel kleiner als dieser eklige Köter der Hexe. Und Bernd ist auch tot, aber es hilft ja nichts, es muss ja weitergehen, und jetzt kann es doch weitergehen. Wir sind eine Familie, und wir halten zusammen.« Sie nickte entschlossen. »Es war schön, mit Ihnen zu plaudern«, sagte sie dann zu Jupp, verdrehte die Augen und fiel einfach um.
Jupp stürmte ins Haus. Er fand das Telefon im Flur, wählte die Notrufnummer. Er stand da und wartete, blickte dabei in die Küche. Sah den kleinen, weichen Hundekörper in einer Lache aus Flüssigkeiten, die er nicht näher bestimmen wollte. Vor der Tür hörte er Pollux heulen und Dieter Hottbender brüllen. Er stand da, und während er der Stimme am anderen Ende so ruhig wie möglich erklärte, was passiert war, erinnerte er sich erneut daran, dass es manchmal ganz genauso schlimm war, wie es aussah. Oder noch schlimmer.
FÜNFUNDZWANZIG
Unter anderen Umständen hätte es Britta möglicherweise sehr irritiert, dass sie sich in enger Umklammerung mit Sophie befand. Sie roch komisch, irgendwie nach Blumen, aber auch darüber konnte sie sich in diesem Moment keine Gedanken machen. Sie hatte keine Gedanken zu verschwenden. Sie konnte nur stehen, klammern und zittern. Und überlegen, wie es weitergehen sollte. Wie sie mit dieser Schuld leben sollte – Wörner tot und verbrannt, weil er den Helden spielen wollte, um Louis zu retten. Sie würde ihn vermissen. Wörner. Und auch Louis. Wörner anders als Louis. Sie würde Louis vielleicht irgendwann hassen, weil er schuld war. Obwohl er nicht wirklich schuld war, sondern sie, Britta, denn sie hatte ihren Hund bei Stefanie gelassen, die vielleicht auch tot war, die vermutlich tot war oder starb, in diesem Moment. Sie würde sich wahrscheinlich nie darüber klar werden können, wen
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