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Schnapsdrosseln

Schnapsdrosseln

Titel: Schnapsdrosseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Trinkaus
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die wispert, dass es vielleicht klüger wäre, zu warten.
    Die Stimme muss schweigen, dem Bedürfnis weichen, es zu Ende zu bringen. Genug gewartet. Warten macht alles schlimmer. Die Geduld ist verbraucht. Wer nicht hören will, muss fühlen, wer nicht hören will, muss sterben. So ist das. So war das. Hätte er gehört, dann wäre er nicht tot. Aber er ist tot, so ist das, so war das. Alles ist wieder da, obwohl es weg sein sollte. Fast verschwunden war, verbannt, verbrannt, Erinnerungen wie ein ferner Alptraum. Leise Unwucht, die beseitigt werden kann. Wunde, die heilt. Späne, die gefallen sind, sie werden weggefegt, aufgesammelt, sie landen im Ofen, werden entsorgt, kein Mensch verschwendet einen Gedanken an sie, wenn er das glatte, polierte Holz betrachtet. Sie sind unwichtig im Großen, im Ganzen, im Guten. Die Oberfläche ist anders als früher, aber das macht nichts, solange sie gut ist, schön, glatt. Die Scharten weggehobelt, kein bleibender Schaden, alles wieder gut, wenn man nicht zögert, nicht länger wartet.
    Leichter Schwindel, es beißt in den Schleimhäuten. Bis jemand das bemerkt, dem Beachtung schenkt, wird es vorbei sein. Am Ende ist es eine Frage von Sekunden. Ein Fingerschnipsen. Dann Finale.

DREIUNDZWANZIG
    »Was zum Teufel ist das?« Wörner starrte abwechselnd auf das Blatt und zu Britta. »Und wo hast du das her?«
    »Von Stefanie. Also, nicht von Stefanie, Stefanie weiß nicht, dass ich es habe. Ich habe die Handtücher aus der Schmutzwäsche genommen, für die Hunde, und da ist es rausgefallen, und ich dachte, ich steck es lieber ein, damit es nicht verloren geht, und es musste doch alles schnell gehen …«
    »Britta!«, brüllte Wörner. Köpfe wandten sich nach ihnen um. »Konzentrier dich«, zischte er. »Bitte konzentrier dich jetzt!«
    »Du musst mich nicht gleich wieder anbrüllen«, fauchte Britta zurück. »Das ist mal wieder typisch!«
    »Können wir meine charakterlichen Unzulänglichkeiten vielleicht später diskutieren?«
    Britta blies die Backen auf, stieß langsam die Luft aus. »Ich muss mich erst mal sortieren«, sagte sie. »Das da«, sie deutete auf das Blatt in seiner Hand, »ist aus Stefanies Schmutzwäsche. Als es den Hunden so schlecht ging, hat Doris mich ins Bad geschickt, um Handtücher zu holen, und als ich am Auto war, fiel es auf den Boden, und ich hab es einfach eingesteckt, automatisch … keine Ahnung, ich hatte es eilig, wir hatten keine Zeit zu verlieren, und darum hab ich es einfach in die Tasche gesteckt und vergessen in der ganzen Aufregung.«
    Sie griff nach Wörners Glas und trank einen großen Schluck. »Ich muss sie anrufen«, sagte sie dann und kramte nach ihrem Handy. »Ich muss sie sofort anrufen … ich hab ihre Nummer nicht, ich …« Sie fing wieder an zu heulen, ärgerte sich über sich selbst, ärgerte sich noch mehr, als sie Wörner stöhnen hörte. »Verzeihung«, schluchzte sie. »Bitte entschuldige, dass ich dich mit meinen Gefühlen belästige …«
    Sie hörte Wörner Dinge murmeln. Und war ziemlich froh, dass sie kein Wort verstand.
    Sie hatten sich auf eine Bank gesetzt, ein Stück den Weg hoch, noch in Sichtweite des Tatorts. Nach anfänglichem Zögern hatte Margot befunden, dass Tills Vorschlag hinsichtlich des weiteren Tuns eigentlich ganz vernünftig war. Er hatte zwei Bierflaschen aus seinem Rucksack gezogen und mit einem Feuerzeug geöffnet.
    »Es tut mir leid«, sagte sie und prostete ihm zu. »Britta hatte recht. Und Wörner. Und auch deine Mutter. Ach, verdammt, alle hatten recht. Ich hab dir was vorgemacht. Ich hätte es gern in Ordnung gebracht, ehrlich, für dich, aber die Sache ist eine Nummer zu groß.«
    »Quatsch«, widersprach Till. »Margot, das muss dir nicht leidtun. Echt nicht. Versteh mich nicht falsch, aber ich hab nicht wirklich damit gerechnet, dass du … wenn die Bullen ihn nicht finden, wie sollst du das dann hinkriegen? Es war eigentlich nur wegen Anna. Weil sie so verzweifelt war. Und ich wollte was tun, irgendwas, und ich dachte, es kann nicht schaden … Und es hat nicht geschadet.«
    Sie schwiegen einen Moment, betrachteten in stiller Eintracht den Himmel, der sich am Horizont über dem Tal langsam rosa färbte.
    »Es ist halt eine echt doofe Geschichte«, sagte Till dann.
    »Ja, sicher.« Margot zögerte. »Aber ich habe ein blödes Gefühl, Till. Ich weiß nicht, warum, ich bin nicht so ein Fan von Intuition. Aber irgendwas braut sich zusammen. Etwas geht vor, genau vor meiner Nase, und ich habe

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