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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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März 2000
North Haverhill,
New Hampshire
    Nach einigen Meilen zu Fuß beschloß Jack St. Bride, sein früheres Leben aufzugeben.
    Er traf die Entscheidung, während er ziellos die Route 10 entlangging, tief gebückt gegen die Kälte. Er hatte am Morgen eine Khakihose, ein weißes Hemd, elegante Schuhe und einen weichen Ledergürtel angezogen – Kleidung, die er zuletzt vor 5760 Stunden getragen hatte, Kleidung, die ihm im letzten August gepaßt hatte. An diesem Morgen war ihm sein blauer Blazer zu groß und die Hose im Bund zu weit. Es hatte einen Moment gedauert, bis Jack begriff, daß er in den acht Monaten nicht Gewicht, sondern Stolz verloren hatte.
    Er wünschte, er hätte einen Wintermantel, aber man verließ ein Gefängnis nun mal in derselben Garderobe, in der man es betreten hatte. Was er allerdings hatte, waren die dreiundvierzig Dollar, die er an dem heißen Nachmittag, an dem er ins Gefängnis gekommen war, in der Brieftasche gehabt hatte, sowie einen Bund mit Schlüsseln, die Türen zu Räumen öffneten, in denen Jack nicht mehr willkommen war, und ein Stück Kaugummi.
    Andere Häftlinge, die entlassen wurden, hatten Angehörige, die sie abholten. Oder sie organisierten sich eine Fahrmöglichkeit. Aber auf Jack wartete niemand, und als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel wie ein zuschnappendes Maul, war er einfach losgegangen.
    Der Schnee drang ihm in die Schuhe, und vorbeibrausende Lastwagen bespritzten seine Hose mit Matsch. Ein Taxi hielt am Straßenrand, und der Fahrer kurbelte das Fenster herunter, doch Jack stapfte weiter, überzeugt, daß das Taxi ihn für jemand anderen gehalten hatte.
    »Autopanne?« rief der Fahrer.
    Jack blickte sich um, aber es war niemand hinter ihm. »Bloß ein kleiner Spaziergang.«
    »Kein Vergnügen bei diesem Sauwetter«, erwiderte der Mann, und Jack starrte ihn an. Die zwanglosen Gespräche, die er im letzten Jahr geführt hatte, konnte er an fünf Fingern abzählen. Es war besser gewesen, leichter, für sich allein zu bleiben.
    »Wo wollen Sie hin?«
    Die Wahrheit war, daß er keine Ahnung hatte. Es gab zahllose Fragen, über die er noch gar nicht nachgedacht hatte: Was sollte er beruflich machen? Wie würde er sich fortbewegen? Wo sollte er leben? Er wollte nicht nach Loyal in New Hampshire zurück, nicht einmal, um seine Sachen zu holen. Was brachten ihm die Zeugnisse einer Karriere, die er nicht verfolgt hatte, eines Menschen, der er nie wieder sein würde?
    Der Taxifahrer runzelte die Stirn. »Kommen Sie«, sagte er, »nun steigen Sie schon ein.«
    Jack nickte und blieb stehen, wartete. Aber es ertönte kein helles Summen, kein Riegel klickte. Und dann fiel ihm wieder ein, daß er in der Außenwelt war und keiner eine Tür entriegeln mußte, bevor er eintrat.

I
    Jack und Jill durchfährt ein Schreck
    Beim Spiel am Brunnenrand,
    Denn Jack fällt rein, bricht sich ein Bein,
    Jill purzelt in den Sand.
 
    Dann kriecht Jack raus und hinkt nach Haus,
    So rasch er es noch kann.
    Zum Omilein, das flickt sein Bein
    Knie abwärts bis zum Spann.

Gilt denn Reue nur, wenn man sie öffentlich macht?
    – HEXENJAGD

1. März 2000
Salem Falls,
New Hampshire
    Am zweitschlimmsten Tag in Addie Peabodys Leben gaben sowohl das Aggregat im Kühlraum als auch die Spülmaschine ihren Geist auf, wie ein altes Liebespaar, bei dem sich keiner vorstellen konnte, ohne den anderen zu existieren. Im Leben eines jeden Menschen wäre das eine echte Prüfung gewesen, doch für sie als Betreiberin des »Do-Or-Diner« kam es einer Katastrophe gewaltigen Ausmaßes gleich. Addie stand da, die Hände an die stählerne Kühlraumtür gepreßt, als könne sie sein Herz durch Wunderheilung wieder zum Schlagen bringen.
    Sie wußte nicht, was verheerender war: die Verstöße gegen die Bestimmungen der Gewerbeaufsicht oder der zu erwartende Einkommensverlust. Zwanzig Pfund Trockeneis, die größte Menge, die sie hatte auftreiben können, reichten nicht. Binnen Stunden würde Addie die Vorratseimer mit Bratensoße, Eintopf und Hühnersuppe, alles frisch am Morgen zubereitet, wegwerfen müssen. »Ich denke«, sagte sie nach einer Weile, »ich gehe einen Schneemann bauen.«
    »Jetzt?« fragte ihre Köchin Delilah, deren verschränkte Arme so dick waren wie die eines Schmiedes. »Weißt du, Addie, ich hab es ja nie geglaubt, wenn die Leute hier in der Gegend gesagt haben, du wärst verrückt, aber –«
    »Den stell ich dann in den Kühlraum. Vielleicht rettet er ja das Essen, bis der Mechaniker hier

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