Schneeballflirt und Weihnachtszauber
teilten sich eine Tüte gebrannte Mandeln. »Von Omi Anni und Großtante Katrin«, sagte Line. »Hier, nimm dir eine Mandel. Sag mal, wo warst du eigentlich? Du hattest doch keine Schule, oder?«
Ich schob eine Mandel in den Mund. »Weihnachtsgeheimnis«, antwortete ich einsilbig.
»Echt? Für wen hast du etwas eingekauft? Für uns? Mensch, Katinka, du hast uns nicht gefragt, was wir wollen«, beschwerte sich Lene. »Wir wünschen uns nämlich was ganz Besonderes. Weißt du eigentlich – «
Omi Anni streckte ihren Kopf herein. »Da bist du ja, Katinka. Wo warst du?«
»Weihnachtsgeheimnis!«, riefen Line und Lene.
»Wirklich? Stell dir vor, Katinka, auf dem Marktplatz spielt ein Mädchen Mundharmonika. Sie ist etwa so groß wie du und trägt ein Hemd, das uns ziemlich bekannt vorkam. Kann es sein, dass du das Mädchen bist?«
Line und Lene brüllten vor Lachen. »Das ist aber nicht dein Ernst, Omi Anni! Katinka würde sich niemals als Musikerin outen! Und überhaupt – stell dir nur vor, der fiese Daniel würde sie sehen! Oder Tina!«
»Eben«, sagte ich cool. »Nie im Leben würde ich mich so blamieren wollen.«
»Aber während der letzten Tage haben wir immer wieder gehört, wie du gespielt hast«, beharrte Omi Anni.
»Na und? Ist doch nicht verboten!«
Nachdem Omi Anni und die Zwillinge abgezogen waren, saß ich böse in der Klemme, denn natürlich hatte ich ein neues Lied üben wollen. Das ging nun nicht mehr; Omi Anni würde sofort auf der Matte stehen und eine Erklärung verlangen. Ich verschob die Lösung des Problems auf später und erledigte erst mal die Hausaufgaben. Leider schoben sich immer wieder gewisse Bilder vor die Zahlen und Buchstaben: Tina, wie sie Daniel küsste. Daniel, wie er Tina küsste.
Es war ja nicht so, dass ich an Tinas Stelle sein und von Daniel hätte geküsst werden wollen – igitt noch mal! Ne, die Zeiten waren ein für allemal vorüber. Aber verdammt noch mal, in der Adventszeit, der Zeit der Liebe, wollte ich geküsst werden. Nicht von einem Mitglied meiner Großfamilie, sondern von einem supertollen Jungen, von einem, der um Klassen besser aussah als Daniel, supernetter war und meinen fiesen Ex-Lover in jeder Hinsicht übertrumpfte. Das war nicht zu viel verlangt; nach meinem Mega-Pech hatte ich jetzt eine gehörige Portion Glück verdient. Fand ich. Nur leider fiel einem ein Junge nicht einfach in den Schoß. So wie es aussah, musste ich mich bis zum Weihnachtsfest in einem Jugendhotel gedulden. Mensch, dort herrschte Männerüberschuss, dort kamen auf ein Mädchen zwei Jungs!
In Rekordzeit erledigte ich die Hausaufgaben, dann zog ich die dicke Jacke an, steckte die Mundharmonika in die Tasche und stahl mich heimlich aus dem Haus und in den Schuppen, in dem unser Traktor parkte. Es war zwar affenkalt, aber hier würde mich niemand hören, wenn ich …ja, welches Lied denn eigentlich? – üben würde.
Und Melanie! Warum hatte mich meine treulose Cousine ver setzt? Das musste ich unbedingt wissen, also fischte ich mein Handy aus der Jeanstasche und rief ihre eingespeicherte Nummer auf. »Ihr Gesprächspartner ist vorübergehend nicht zu erreichen. Versuchen Sie es später noch einmal.« Fassungslos starrte ich aufs Handy. Das gab’s doch nicht! Das hatte es ja noch nie gegeben! Melli war nicht zu erreichen? Voll der Wahnsinn; meine Cousine musste sterbenskrank sein …
Inzwischen regnete es wieder, und weil ich nur meine Sneakers anhatte, raste ich über den Hof, um Gummistiefel anzuziehen. Vorm Haus stand ein Auto, das nur Onkel Alois, Mellis Vater, gehören konnte. Na bitte! Bestimmt war Melli auch hier und hatte aus einem unerfindlichen Grund ihr Handy ausgeschaltet. Oder vergessen, es wieder einzuschalten, obwohl ihr das überhaupt nicht ähnlich sah. Ich riss die Haustür auf, stand in der Diele und lauschte, weil ich Stimmen hörte. Aufgeregte Stimmen. Vorsichtig pirschte ich mich an die Tür und lugte durchs Schlüsselloch. Richtig, auf dem Sofa saß Onkel Alois.
Von Melli sah ich nichts. »Und ausgerechnet an Heilig Abend willst du uns deine Freundin vorstellen?«, hörte ich meinen Vater sagen. »Ist das nicht ein bisschen heftig für sie?«, erkundigte sich meine Mutter. »Eine komplette, neugierige Großfamilie kann einem schon zusetzen.«
Onkel Alois nuschelte etwas, das ich nicht verstehen konnte.
»Aha. Soso.« Das war wieder mein Vater. »Was sagt denn Melli zu der Sache?«, ließ sich nun Großtante Katrin vernehmen.
Oho, jetzt wurde es aber
Weitere Kostenlose Bücher