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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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Bett gelegen, schrecklich, schrecklich ... mein eigener Sohn und sein Vater, sie ähneln einander wie zwei Tropfen Wasser ...
    »Der hat aber nie mit einem aufgedonnerten Weib im Bett gelegen.«
    »Meinst du!«, brauste meine Mutter auf. »Ich werde dir mal was erzählen, da werden dir aber die Augen aus dem Kopf fallen. Ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen, du bist der Erste. Ich habe deinem Vater einmal Kaffee gebracht ...
    Sie schwieg, trank einen Schluck Tee durch den Strohhalm und dachte nach.
    »Nein, ich muss die Geschichte anders anfangen. Man hatte deinen Sluispolder mit Sand aufgefüllt, um ihn baufertig zu machen, bis fast nach Maasland rüber. Ich wünschte, das wäre eher geschehen, dann hättest du nicht mit Schlamm und Blutegeln nach Hause kommen können. Der Polder war eine einzige riesige Sandfläche, wie die Wüste, durch die die Israeliten gezogen sind. Als Erstes musste anschließend die Kanalisation angelegt werden. Also karrten große Lastwagen unzählige dieser grauen Betonröhren herbei und luden sie einfach hier und da ab. Danach mussten die Röhren natürlich in die Erde, und deinen Vater hatte man schon mal losgeschickt, um mit Pfählen, Brettern und Bändern zu markieren, wo sie genau hinkommen sollten. Zu mir sagte dein Vater: ›Würdest du mir bitte Kaffee bringen, da draußen gibt es nichts, kein Haus, keinen Menschen, nur Sand.‹ Also bin ich hin, mit einer großen Tasche, in der zwei Becher und zwei Thermoskannen waren. Eine mit Kaffee, eine mit warmer Milch. Es war ziemlich windig und regnerisch, und als ich die Sandfläche erreichte, da flog mir der Sand ins Gesicht, meine Brille beschlug, und ich sah kaum noch was. Mehr oder weniger blind bin ich durch den lockeren Sand gepflügt, in den meine Füße bei jedem Schritt einsanken. Ich kam kaum vorwärts. Und jedes Mal knallte mir die schwere Tasche gegen die Beine. Ich kam mir vor wie ein Israelit in der Wüste Sinai. Dann blies der Wind auf einmal meine Brille sauber, und ganz weit entfernt entdeckte ich deinen Vater, klein wie ein Zwerg, und ich dachte: Was macht er da bloß, denn er war eifrig mit jemand anderem beschäftigt, und ich gucke etwas genauer hin, und da sehe ich, dass er dort mit einer wildfremden Mieze zugange war, er hatte sie gegen ein Abwasserrohr gedrückt und ... und ... Jetzt wird mir auf einmal ganz schwindlig.«
    »Immer mit der Ruhe«, sagte ich, »lass diesen Teil der Geschichte einfach aus, ich weiß auch so, was du meinst.«
    »Meine Brille beschlug wieder, und ich stolperte auf Gefühl vorwärts. Ab und zu ruhte ich mich an einer der weißen Röhren kurz aus, dann ging ich weiter, nein, es dauerte keine vierzig Jahre wie bei den Israeliten in der Wüste, aber es kam mir ebenso lang vor, und ich bin ja auch fast vierzig Jahre mit deinem Vater verheiratet gewesen, sodass ich alles in allem sehr wohl vierzig Jahre durch die Wüste gezogen bin, denn wenn ich später auf der Straße über einen Kanaldeckel ging, dachte ich jedes Mal: Was mag mein Mann dort unten wohl mit irgendeiner Mieze treiben?«
    »Glaubst du wirklich, dass mein Vater mit irgendwelchen Frauen in der Kanalisation rumgemacht hat? Ach komm, du glaubt doch nicht, dass man eine Frau so weit kriegt, dass sie mit einem in die Kanalisation steigt, um dort im Dunkeln, inmitten von Dreck und raschelnden Ratten ...
    »Wenn du alle ernähren müsstest, die gerade das schön finden ... aber wo war ich stehen geblieben?«
    »In der Wüste.«
    »Ach ja, und während ich durch die Wüste wankte, nahm der Wind noch mehr Fahrt auf und heulte durch die Betonröhren. Das klang wie knisterndes, grimmiges Gemurmel, als säßen überall in den Röhren knurrende Hunde, die große Lust hatten, mich zu zerfleischen. Schließlich kam ich mit lauter blauen Flecken an den Beinen und mehr tot als lebendig doch noch bei deinem Vater an, und da war er wieder ganz allein. Aber ich wusste, irgendwo hier in einer der Röhren hat er seine Mieze versteckt und in einer anderen ihr Fahrrad ...
    »Ihr Fahrrad?«, fragte ich erstaunt. »Hast du das Fahrrad denn vorher schon gesehen? Oder eine Reifenspur? Und warum sollte die Frau mit dem Rad durch den Sand gefahren sein? In dem losen Sand versinkt man doch sofort, da kommt man keinen Meter weit. Wenn sie also mit dem Fahrrad gekommen ist, dann hat sie es geschoben. Aber das ist auch nicht wahrscheinlich. Wenn dort eine Frau war, dann ist sie zu Fuß gekommen.«
    »Nein«, sagte mein Mutter starrköpfig,

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