Schneeflockenbaum (epub)
Mädchen ... Sie ist später noch ein paarmal hier gewesen, auch als sie längst mit Jouri verheiratet war und du mit diesem mageren Hering. Einfach so, aus reiner Nettigkeit schaute sie dann vorbei, jedenfalls sagte sie das, sie sagte, sie habe gehört, mein Mann sei gestorben, und sie meinte: ›Dann sind Sie jetzt bestimmt viel allein ... Sie glaubte wohl, da würde ich mich über ihren Besuch freuen ... Von wegen, ich dachte nur: Du hast noch immer ein Auge auf meinen Sohn geworfen, und darum tauchst du bei seiner alten Mutter auf ... Was ich dich also geradeheraus fragen wollte, ist: Bist du mit dieser Tussi je im Bett gewesen?«
»Nein«, sagte ich.
»Oh, oh, es steht mit Riesenbuchstaben auf deine Stirn geschrieben, dass du lügst, oh, oh, mein eigener Sohn, wo soll das mit dieser Welt nur enden, überall nichts als Verderbnis, sogar in unserer Kirche soll die Homoehe zugelassen werden, mein eigener Sohn ... Ich wusste es ...
»Wie kommst du darauf, dass ich lüge? Du musst wissen, dass Jouri, nachdem man es ihm jahrelang angeboten hat, schließlich doch dem Ruf auf einen Lehrstuhl in Harvard gefolgt und in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist ...
»Darum also ist sie so lange nicht hier gewesen. Vor einiger Zeit hat sie allerdings wieder einmal vorbeigeschaut. Und weißt du, was sie von mir wissen wollte?«
»Was denn?«
»Wohin du umgezogen bist. Sie sagte, sie sei aus Amerika zurück. Sie habe ihre alte Mutter in Vlaardingen besucht, und weil sie sowieso in der Gegend war, sei sie noch auf einen Sprung bei mir vorbeigekommen. Das behauptete sie jedenfalls, und sie sagte auch, dass sie dich besuchen wollte, dass du aber an deiner alten Adresse nicht mehr erreichbar seist, daher.«
»Hast du ihr meine neue Adresse gegeben?«
»Ich habe zu ihr gesagt: ›Wie hieß die Straße gleich wieder, sie liegt in so einem abgelegenen Viertel, an der Heulenden Gracht ... Es war eine Lüge, aber was sollte ich tun, schließlich hatte ich überhaupt keine Lust, ihr deine Adresse zu geben. Ich dachte: Soll sie doch an der jämmerlich heulenden Gracht suchen, das ist genau der Ort, wo sie hingehört. Als wäre sie nicht in der Lage, deine neue Adresse allein herauszufinden! Ich wohne doch auch inzwischen woanders, und trotzdem stand sie vor meiner Tür. Früher habe ich immer gedacht: Da ist was faul, die hat was mit meinem Sohn, und jetzt habe ich die Bestätigung ... Sie ist gekommen, weil sie an die alten Zeiten anknüpfen wollte. Ha, siehst du, dass ich gut daran getan habe, ihr deine Adresse zu verschweigen, aber ob das helfen wird ... die setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um ihr Ziel zu erreichen, früher oder später liegt sie wieder mit dir im Bett, oh, wie schrecklich ... Weißt du, was ich seit ein paar Jahren oft denke?«
»Verrat’s mir.«
»Oft denke ich: Als mein erstes Kind geboren wurde, wäre es beinahe schiefgegangen, ich musste überall aufgeschnitten werden, aber trotzdem war dein Köpfchen vollkommen verformt, dein Schädel war zerknittert, du hattest keine Nase, und deine Ohren lagen verkehrt herum am Kopf. Du hättest leicht einen Hirnschaden davontragen können, so wie Harcootje Hummelman, obwohl der mir nichts, dir nichts herausgeflutscht ist, und du solltest heute mal sehen, was aus Harcootje noch geworden ist ... Man hat ihn sogar zum Diakon gemacht, und du solltest ihn mal sonntags in der Kirche sitzen sehen, durch und durch andächtig, er saugt die Worte des Pastors regelrecht auf, wenn es irgendwo auf der Welt ein Kind Gottes gibt, dann ist er es. ›Werdet wie die Kinder‹, sagt unser Erlöser, tja, er muss kein Kind mehr werden, er ist immer ein Kind geblieben, man sieht schon heute den Glanz der Ewigkeit auf seinem Gesicht, und zu Frauen schielt er auch nicht hinüber, denn mit Frauenfleisch hat er es überhaupt nicht.«
»Willst du damit sagen: Schade, dass mein Sohn bei seiner Geburt keinen Hirnschaden davongetragen hat?«
»Genau, das meine ich, es hätte ja ganz leicht passieren können, eine kleine Macke nur, natürlich keinen Schaden, der bewirkt hätte, dass du dein ganzes Leben lang nur vor dich hin sabbernd dasitzt, nein, einen winzigen Hirnschaden, wie Harcootje einen hat, dann wärst du heute auch Diakon, und du hättest auch den Glanz der Ewigkeit auf deinem Gesicht, während du jetzt, wenn du weiterhin so knallhart den Herrn verleugnest, geradewegs in die Hölle kommst ... Oh, oh, und außerdem hast auch noch mit diesem aufgedonnerten Weib im
Weitere Kostenlose Bücher