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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Schlucken. Es ist warm, und ich habe sozusagen menschliche Gesellschaft. Auch wenn es fremde ist. Man kann nicht alles haben, das weiß ich ja mittlerweile. Weil ich Zeit habe, beantworte ich den beiden alle möglichen Fragen, sie wollen genau wissen, warum ich verlassen wurde und versichern mir, dass das Arschloch ja wohl ein Arschloch sei. Weil ich während des Telefonats immer mehr Wein trinke, werde ich immer redseliger. Wilson scheint froh zu sein, dass es momentan nicht
er ist, der vollgelabert wird, und hält ein Schläfchen. Und draußen wird es langsam dunkel, was mich aus welchen Gründen auch immer noch mehr zum Erzählen animiert.
    Nun werden auch noch andere Anrufer in einer Konferenzschaltung dazugeschaltet, und ich werde von Wildfremden bemitleidet. Ganz Österreich scheint das Arschloch als neues Feindbild zu haben, was mich ein Stück weit befriedigt.
     
    Nach dem Gespräch mit dem Radiosender geht es mir etwas besser, und ich merke, wie langsam, aber sicher ein Hungergefühl einsetzt. Werte das als gutes Zeichen, denn wer isst, der lebt. Jetzt ist es draußen ganz dunkel. Und es schneit und schneit und schneit. Ich finde es mit den Kerzen sehr gemütlich, und das Gulasch köchelt auf dem alten gusseisernen Herd vor sich hin und riecht gut.
    Womit hab ich das verdient? Man geht doch nicht einfach nach elf Jahren, in denen man überwiegend glücklich war, die meiste Zeit jedenfalls zufrieden. Hab ich was falsch gemacht? Wenn ja, was hab ich falsch gemacht?
    Und ausgerechnet kurz vor Weihnachten. Das macht man doch nicht. Man muss doch, egal zu welcher Jahreszeit, dem Gegenüber eine Chance geben, über alles zu reden. Man packt doch nicht einfach eine Tasche und verschwindet.
    Noch mehr Wein.
    Wenn ich wieder zu Hause bin, werde ich die Sachen des Arschlochs verbrennen. Wenn er sie nicht zwischenzeitlich geholt hat, denn er hat ja noch einen Schlüssel. Wie läuft das eigentlich mit der Wohnung? Wir stehen beide im Mietvertrag, kann da einfach einer gehen? Und muss er dann trotzdem noch Miete zahlen?

    Ich weiß es nicht.
    »Ach Wilson, ihr Mixer habt es es gut.« Ich nicke meinem Freund zu. »Ihr werdet immer dann rausgeholt, wenn es um die schönen Dinge des Lebens geht. Ihr rührt Teig und schlagt Sahne steif für einen leckeren Kuchen, den man dann gemütlich im Familien- oder Freundeskreis isst. Bestimmt hört ihr oder zumindest Teile von euch, also eure Quirle, während sie im Abtropfgitter trocknen, das Lachen der Leute aus dem anderen Raum. Vielleicht trinkt man ja in der Küche Kaffee, dann kannst du die Gespräche auch noch hören. Tut mir leid, dass ich dich kaputt gemacht habe. Vielleicht kann man dich ja wieder reparieren.«
    Der Kerzenschein reicht nun nicht mehr, dauernd stoße ich gegen irgendwas. Ich knipse Licht an, beziehungsweise, ich versuche Licht anzuknipsen. Aber wo zum Teufel ist der Lichtschalter? Ich fahre mit der Hand an der Wand entlang, dann über die andere, dann gehe ich raus in den Flur. Nichts. Wo sind denn bloß die Schalter?
    Drehe ich jetzt komplett durch? Hätte ich vielleicht doch besser zu Hause bleiben und mir ein paar nette Stunden mit Ruth machen sollen?
    Nein, ich musste mal raus.
    Aber ich muss auch einen Lichtschalter finden. Wo sind die nur?
     
    Der Elektriker kommt eine Stunde später. In meiner Verzweiflung hab ich es irgendwie geschafft, von meinem Handy aus die Auskunft von Österreich anzurufen, und die wiederum gab mir die Nummern von drei Elektrikern in der näheren Umgebung. Wie gut, dass ich mit dem Handy hier Empfang habe. Ein Telefon gibt es in der Hütte nämlich nicht.

    Einer der Elektriker befindet sich schon im Weihnachtsurlaub, der andere erklärt mir nervös, er könne jetzt nicht weg, ein spannender Film fange gleich an, außerdem sei seine Frau schwanger und er am Ende mit den Nerven. Der dritte meinte, er käme vorbei, und wollte die Adresse haben, die mir natürlich nicht eingefallen ist, weil ich ja weiß, wo die Hütte steht, und Straßennamen gibt’s hier nicht. Aber wie auch immer, er findet mich dann doch.
    »Grüß Gott, i bin der Lichtmann«, sagt er. Der Elektriker stellt sich als Max vor, ist sehr groß, hat dunkle Haare und sieht eher aus wie ein Rechtsanwalt oder so. Nur seine Hände sind die eines Handwerkers. Sie sind breit, die Nägel kurz geschnitten. Der ganze Mann wirkt, als könnte er gut zupacken, was man als Elektriker ja nicht unbedingt muss, aber von Vorteil ist es allemal.
    Er schnuppert und bewegt dabei

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