Schneegeflüster
Wünsche erfüllt: Ein altes Rätsel löst sich, ein geliebter Mensch kommt zurück, eine schwierige Aufgabe wird bewältigt - und die große Liebe scheint plötzlich zum Greifen nah. Manchmal braucht es dazu die Hilfe geheimnisvoller Wesen, die man nicht aus den traditionellen Weihnachtslegenden kennt. Wer hätte schon je von einem Weihnachtsvampir, von Weihnachtsklonen oder Weihnachtsgespenstern gehört oder wäre einer beschwipsten Weihnachtsfee begegnet?
Doch die Magie, die am Ende aus dem Chaos rettet und alles verzaubert, die ist dann doch altbekannt: die Liebe, die, auf welche Weise auch immer, allen Heldinnen und Helden ein hoffnungsfroh glimmendes oder strahlend leuchtendes Weihnachtslicht entzündet.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass auch für Sie dieses Licht immer brennt.
Ihre Uta Rupprecht
SUSANNE BECKER
Morgen, Inka wird’s was geben
Vor dem Fenster wirbelten die Schneeflocken wild durcheinander. Die Eisblumen an den Scheiben bildeten glitzernde Muster, in denen sich das Licht brach. »Perfekt«, dachte Inka, die Außenrequisiteurin des Weihnachtsfilms, und warf einen abschätzenden Blick auf das Kaminfeuer. Die winterliche Idylle war ihnen auf jeden Fall gut gelungen. »Aus«, kam es scharf von hinten, »noch eine!« - »Dann hau ich schnell ab«, flüsterte Inka ihrer Innenrequisiteurin Sabine zu, während das gesamte Filmteam in Bewegung geriet, um die Vorbereitungen für den nächsten Take zu treffen. »Ich fahr noch mal kurz ins Büro, bis Mittag bin ich wieder da. Viel Spaß beim Kuscheln am Kamin.« - »Danke.« Sabine grinste und schnitt eine Grimasse. »Ich komme mir schon vor wie meine Bratäpfel.«
»Wir gehen auf Anfang!«, rief der Aufnahmeleiter streng, und Inka verließ eilig den Raum, um rechtzeitig vor Beginn der nächsten Aufnahme draußen zu sein. Als sie die Haustür der Villa, die der Hauptdrehort war, öffnete, schlug ihr
trocken-warme Sommerluft entgegen. Die Sonne blendete derartig grell, dass sie für einen Moment die Augen schließen musste. Schlimm genug, dass sie im Juli an einem Weihnachtsfilm arbeitete. War es da nötig, dass der Temperaturunterschied zwischen Wirklichkeit und Fiktion gefühlte hundert Grad betrug? Inka warf einen letzten Blick in den Garten, wo die Special-Effect-Jungs es mitten im Sommer vor den Wohnzimmerfenstern kräftig schneien ließen. Immerhin war das ja das Reizvolle an der Filmarbeit: die Herstellung einer perfekten Illusion, die für den Zuschauer von der Realität nicht zu unterscheiden war.
Vorbei an Zellulosesäcken und weißen Schaumstoffmatten lief Inka zu ihrem Volvo, wartete ab, bis der Praktikant pflichtbewusst das Ende der Aufnahme nach draußen weitergegeben hatte, und fuhr dann mit aufheulendem Motor davon. Bis zur Mittagspause hatte sie noch einiges zu tun. Für die kommende Woche mussten zwei Pferdeschlitten aufgetrieben, alle Drehplanänderungen mit dem Fahrzeugverleih abgestimmt sowie die Versicherung der Filmautos organisiert werden.
Im Radio lief »Like Ice in the Sunshine«, und Inka drehte etwas lauter. Sie war froh, sich wenigstens eine Weile nicht mit Winter, Schnee und Weihnachten beschäftigen zu müssen.
Einige Sommer- und Partylieder später hielt sie mit ihrem Wagen auf dem Parkplatz vor dem Gebäudekomplex, in dem auch die Requisiteure des Filmprojekts »Wintertraum« ein Büro bekommen hatten. Sie hob den Holzschlitten, der bereits seit gestern abgedreht war, aus dem Kofferraum und nahm ihn vorsichtshalber mit nach oben. Schließlich durfte sie auf keinen Fall vergessen, dass er bis morgen zurück im
Ausstattungsfundus sein musste, damit sie nicht noch eine weitere Woche Leihgebühr zahlen mussten.
Die neuesten Drehplanänderungen waren für die Mitarbeiter des Filmfahrzeuge-Verleihs glücklicherweise kein Problem, wie Inka kurz darauf am Telefon erfuhr. Auch nach über zehn Jahren Dreherfahrung hatte sie sich noch nicht ganz daran gewöhnt, dass es immer wieder zu extrem kurzfristigen Verschiebungen von Szenen kam. So zitterte sie immer noch vor derartigen Telefonaten und war erst ruhiger, wenn das erforderliche Requisit für den neuen Termin zugesichert war. Glücklicherweise hatte sie es meistens mit sehr filmerfahrenen Geschäftspartnern zu tun, für die die Unwägbarkeit des Drehalltags keine Überraschung war.
Gerade als Inka den Hörer erneut abnehmen wollte, um sich zu einem Pferdeschlitten-Verleih durchzutelefonieren, klingelte der Apparat. Sie hob ab und kam nicht einmal
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