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Schneekuesse

Schneekuesse

Titel: Schneekuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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umher watschelten und auf Brotkrumen hofften. Er klimperte auf einer altersschwachen Gitarre.
    Sein Kumpel Jojo pfiff dazu durch zwei fehlende Vorderzähne auf einer Mundharmonika. Er war einigermaßen glatt rasiert, bis auf einige leichte Stoppel und eine kleine Schnittwunde am Hals, die von seiner letzten Rasur mit einem Messer zeugte. Sein khakifarbenes Hemd und die Jeans sahen zwar etwas zerknautscht, aber sauber aus. Die Haare trug er glatt zurückgekämmt. Auch auf seinem Gesicht hatte das Leben tiefe Spuren hinterlassen. 
    Eine Pulle Schnaps machte die Runde.
    Jill setzte sich mit leicht mulmigem Gefühl dazu. Aber alles war besser, als alleine in der herannahenden Dunkelheit im Park herumzuvagabundieren.
    „Way down upon the Swanee river“, stimmte Jimmy sentimental an.
    „Los, Jill, du kannst doch richtig singen!“, stieß Emma ihr den fleischigen Ellenbogen in die Seite.
    Erst wollte sie nicht, aber mit dem letzten Rest der Verzweiflung stimmte sie das alte Lied an.
    Die anderen waren von Jills Stimme begeistert.
    Jimmy hatte sogar Tränen in den Augen, weil er meinte, seine Gitarre hätte noch nie so schön geklungen.
    Jojo schlug vor, sich in dieser Formation auf Straßengesang zu spezialisieren. „Das wird ein bombiges Geschäft“, rieb er sich voller Vorfreude die Finger.
    Emma hustete vernehmlich. „Deine bombigen Geschäfte kenne ich“, erklärte sie anzüglich. „Er hat früher mal in Aktien gemacht, bis er das gesamte Geld seiner Kunden verspekuliert hat“, wisperte sie Jill zu.
    „Komm, ich kann dir jederzeit sagen, wie Fisherman’s Brother stehen oder um wie viel Sashions gefallen ist“, empörte sich Jojo, der Wortfetzen von Emmas Flüsterei aufgefangen hatte.
    „Kunststück, wenn du dir immer die Financial Times aus den Papierkörben holst“, bleckte Emma grinsend die weißen Zähne und schlug eine Seite des dicken Wälzers um, den sie die ganze Zeit auf ihren Knien liegen hatte.
    Offensichtlich hegte Emma noch eine weitere Leidenschaft, bei der sie sogar den Mund hielt. Jill hatte festgestellt, dass der größte Teil von Emmas überdimensionalem Rucksack aus Büchern bestand. „Brauche ich wie Essen und Trinken. Wenn irgendjemand ein Buch auf einer Parkbank liegen lässt, ist das so gut wie eine volle Pulle“, gestand Emma leicht verlegen, als Jill sie fragte, warum sie sich mit den schweren Büchern abschleppen würde.
    „Komm, es wird Zeit für die Abendtoilette!“, Emma zog Waschlappen und Handtuch aus ihrem umfangreichen Rucksack und wusch Gesicht und Arme am Teich. Sogar eine Zahnbürste und Zahnpasta zauberte sie hervor. Dreckig wollte Emma nicht auf der Walze sein. „Täte dir auch gut!“, grölte sie zu Jimmy rüber, der sich laut über „Emmas Waschzwang“ mokierte.
    „Normalerweise würde ich bei so einem Wetter draußen schlafen. Aber momentan habe ich es im Kreuz. Und für dich ist das sowieso nichts.“ Ehe Jill noch protestieren konnte, setzte Emma ihren Rucksack auf und zog sie mit fort.
    „Atme tief durch!“ Emma breitete mal wieder die Arme so weit aus, als wollte sie die Baumriesen, deren Umrisse langsam von der Dunkelheit verschluckt wurden, umarmen. Sie blähte ihre beachtlichen Nasenflügel wie ein erschrecktes Pferd seine Nüstern auf und sog hörbar die angenehm kühle Abendluft ein. „Pfff ...“, quietschte Emma laut, sodass Jill sich ein wenig verschämt umblickte, ob sie jemand beobachtete.
    Emma bückte sich und grub zu Jills Überraschung mit der bloßen Hand in einem Blumenbeet herum. Sie ballte die Faust, öffnete sie im nächsten Moment und ließ satte dunkle Erde auf den Boden regnen. „Kennst du ‚ Vom Winde verweht ’?“
    Jill nickte. Klar hatte sie das Südstaatenmelodram gelesen und im Fernsehen gesehen. Aber wie Emma jetzt wieder darauf kam? Jill wurde nicht schlau aus ihr. 
    „Erinnerst du dich an die Stelle, wo Scarletts Vater zu ihr sagt: ‚Katie Scarlett, Land ist das Einzige, was zählt.’ Und wenn etwas stimmt, ist es das! Diese fette Erde hier, das ist das Leben. Solange ich sie noch zwischen meinen Fingern hindurch rieseln lassen kann, bin ich nicht zu bedauern.“
    „Gerald O’Hara meinte doch aber, dass Land der kostbarste Besitz ist, den du haben kannst. Und uns beiden gehört nicht das klitzekleinste bisschen“, wandte Jill ein.
    Emma tippte sich an den Kopf, weswegen nun schwarze Blumenerdekrümel an ihrer Stirn prangten. „Mensch Jill, du bist ja noch hoffnungsloser, als ich dachte!“
     
     
    Detective

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