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Schneekuesse

Schneekuesse

Titel: Schneekuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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Park „ihr Haus“, Rasen, Blumenbeete und Parkbänke „ihr Salon“, der große Teich inmitten des Parks „ihr Badezimmer“ und eine dichte Buschgruppe ihr „Schlafraum“. Die Abfallkörbe ersetzten ihr den „Kühlschrank“. „Du glaubst nicht, was die Leute alles wegschmeißen“, meinte Emma und deutete auf die Packung Butterkekse.
    An diesem Nachmittag lernte Jill Emmas Ansichten über das Leben kennen. Die meisten Dinge waren ihr fremd. Vor allem Emmas dauernde Zweitverwertung von Lebensmitteln. Als ein junger Mann eine Bierdose in einen der Müllbehälter schmiss, prüfte Emma sofort nach, ob nicht doch noch ein bisschen flüssiger Inhalt vorhanden war.
    Über ihre Vergangenheit aber schwieg sie eisern. Es war, als ob sie Jill ihr jetziges Leben wie in einem Werbeprospekt in den leuchtendsten Farben ausmalte. „Guck dir den Himmel an! Gibt es irgendwo ein Wohnzimmer mit schönerer, weiterer Decke? Das reinste Blau heute, eine Farbe, die kein Malermeister in dieser Intensität zusammenmischen könnte“, schwärmte sie, „wenn du auf dem Rasen liegst, träumst du dich direkt nach dort oben. Du kennst keine Grenzen mehr.“
    „Wolltest du nie weg?“
    Emma seufzte. „Verstehe, für dich ist das nichts! Bist wohl der Typ, der ohne drei Badezimmer und Solarium glaubt, dass die Welt untergeht.“
    „Quatsch!“ Jills Selbstmitleid verwandelte sich in Wut. „Meinst du, mein Arsch federte immer nur auf Daunen? Als arbeitslose Sängerin musst du sehen, wo du bleibst. Ein Zuhause gibt es nicht. Du ziehst von Stadt zu Stadt, jagst Engagements hinterher und findest nie Ruhe.“
    „So gefällst du mir besser als mit der weinerlichen Tour. Nur die Jammerei kannst du dir offenbar nicht abgewöhnen.“
    Jill wollte aufstehen und gehen. Sie ließ sich doch nicht von einer fetten, schwarzen Pennerin bevormunden.
    Emma redete einfach weiter. „Ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Maryville verbracht. Hier habe ich immer meinen Platz gefunden. Es ist eine komische Stadt voller Gegensätze, deswegen weißt du auch – egal, was passiert – wo du hingehörst.“
    Jill starrte Emma fragend an.
    „Am Gloria Boulevard haben sich viele reiche Geschäftsleute aus New York oder Boston angesiedelt. Gute Adresse – macht was her und diese Luft ...“ Emmas Arme malten unsichtbare Kreise in Richtung Himmel. „Du weißt ja, je besser die Luft, umso teurer ... Ja und dann natürlich der Seaside Drive. Da haben viele ihr Ferienhaus am Meer. Für die weniger Betuchten gibts die Wohnblocks in Richtung Landesinneres. Dort wird die Luft dünner. Weiß gar nicht, wie ich es da mal ausgehalten habe. Obwohl damals ...“ Emma sprach nicht weiter.
    Ein seltener Moment, wie Jill inzwischen begriffen hatte. „Du hast in einem Mehrfamilienhaus in Maryville gewohnt?“
    „Ja, die sind in den letzten Jahrzehnten aus dem Boden gestampft worden. Das popelige Volk musste irgendwohin, um nicht das Bild einer aufblühenden Stadt zu verschandeln. Apropos, wenn etwas expandiert, ist das unser Rotlichtmilieu am Hafen! Dort kannst du dich mittlerweile kaum ohne Knarre bewegen, dafür aber prima untertauchen, weil die Polizei alle Hände voll zu tun hat. Ich sage dir, das ist auch ein Grund, warum viele Reiche so scharf auf Maryville sind. New York soll mittlerweile sicherer sein als unser Kindergarten.“
    Emma nahm einen kleinen Schluck aus dem Flachmann, wischte sich hinterher nicht etwa mit dem Ärmel die Lippen ab, wie man es erwartet hätte, sondern kramte ein Taschentuch hervor. „Tja, und dann ist da noch das alte Maryville. Unten am Wasser, wo der Seaside Drive endet, stehen die alten Häuser und Cottages. Das ist was für Romantiker, so mit Kirche im Dorf, geharkten Gartenwegen und weißen Schaukelstühlen vor der Veranda.“
    „Warum campierst du nicht am Strand?“
    „Schätzchen, der Strand gehört den Touristen. Außerdem ist der Park das Herz der Stadt. Alle Viertel grenzen an den Park. Hier wirst du nicht dauernd von Bullen belästigt. Die haben alle Hände voll in den anderen Ecken zu tun. Und trotzdem kommst du noch ohne Waffe zurecht.“ Emma ballte die Fäuste, sodass die Fettpölsterchen wie kleine Hüpfburgen hervorquollen: „Bei mir traut sich sowieso niemand ...“
    Gegen Abend schlenderte Jill mit Emma zum Teich runter, wo „die Jungs“ hockten. Die „Jungs“ waren zwei weiße Obdachlose.
    Jimmy entsprach dem Klischee. Grauhaarig, langbärtig und faltig saß er in speckigen Klamotten am Ufer, wo die Enten

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