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Schneekuesse

Schneekuesse

Titel: Schneekuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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Schnarchkonzert! Sollte das ein Wink des Schicksals sein? Verdammt, Hunger brannte mehr als Stolz! Vor Aufregung sträubten sich Jills Nackenhaare.
    Sie eilte auf die Straße. Alles, aber auch wirklich alles, erschien ihr in diesem Moment angenehmer, als noch eine Nacht in der Obdachlosenherberge. Sie verabschiedete sich von Emma, die den restlichen Tag in „ihrem“ Park verbringen wollte.
    „Bist doch nicht so ein Weichei, wie ich dachte! Hau rein, Mädel!“, Emma klopfte ihr anerkennend auf die Schulter, nachdem Jill ihr ihre neuen Pläne geschildert hatte.
    Sie hatte – so gut es ging – ihre ramponierte Erscheinung in Form gebracht. Schwitzend probierte sie, sich im Straßennetz von Maryville zu orientieren. Sie klemmte sich in die Meute hetzender Büroangestellten. Immerhin wehte heute eine frische Brise vom Meer herüber. Manche Straße nahm sie umsonst, weil sie sich verlaufen hatte. Immer wieder musste sie nach dem Weg fragen. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie vor dem marmorfarbenen Gebäude stand, in dem Sounders’ Firma saß.
    Rasch fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare, rollte unauffällig ihren kleinen Deostick unter die feuchten Achselhöhlen und zurrte den leicht zerknitterten Rock zurecht. Wollte sie dort noch einmal hinein? Es war erniedrigend, aber wenn man ganz unten war, ging es nicht mehr weiter runter.
    Ein eisblauer Läufer führte die Treppe hoch zum klimaanlagengekühlten Eingangsportal und von da direkt in den Empfangsbereich. Sounders und seine Mitarbeiter residierten im oberen Stockwerk, wo sie ihre Büros hatten. Im Keller befand sich das schallisolierte Aufnahmestudio, in dem Sounders über Sein oder Nichtsein entschied.
    Sounders’ Empfangsdamen, die er sich der Branche angemessen aus dem Katalog für Models zweiter Wahl bestellte, waren abgehärtet. Sie sahen so manche Träne fließen, wenn sogenannte Möchtegernstars das Aufnahmestudio verließen.
    Eine von ihnen – jung, blonde Strähnen, nahezu Idealmaße, maskenhaft glattes Gesicht – wandte sich professionell freundlich Jill zu. „Ja, bitte? Was kann ich für Sie tun?“
    Jill bemühte sich, ihren beschleunigten Puls hinunterzufahren. Sie räusperte sich und streckte das Kreuz. „Ich möchte zu Mr. Sounders!“
    Die Blonde mit dem eingefrorenen Lächeln erkundigte sich vorsichtig: „In welcher Angelegenheit?“
    „Ich bin eine Bekannte von ihm.“
    Eine Aussage, die die Maske mindestens fünfzehn Mal am Tag hörte. Meistens von Nachwuchstalenten, die hofften, auf diese Weise zum Vorsingen durchzudringen. Sie hatte eine unfehlbare Antwort, die den Schwindel rasch beendete: „Gut, nennen Sie mir Ihren Namen! Ich werde fragen, ob Mr. Sounders Sie empfängt.“
    Jill dachte an ihr Vorsingen. Sounders galt als knallharter Geschäftsmann. Mit Mitleid würde sie bei ihm nicht landen können. „Ich komme wegen des Jobs im Empfang“, verriet sie der Maske und versuchte, deren frostige Fassade mit einem möglichst warmen Lächeln aufzutauen.
    Die Eisprinzessin hob das Kinn. „Tut mir leid. Die Stelle ist wieder besetzt.“
    „Und sonst?“
    „Wir haben nichts frei.“
    In dem Moment rauschte eine rothaarige Frau im schwarzen Hosenanzug vorbei, die vermutlich von unten aus dem Aufnahmestudio kam. „Ich habe die Schnauze voll!“, tobte sie vor sich hin. „Präziser, präziser“, äffte sie jemanden mit verzerrter Stimme nach.
    Die Blondine zog die Augenbrauen hoch, sodass es einen Augenblick so aussah, als würde ihre glatte Maske in Einzelteile zerspringen. Sie zeigte bedeutungsvoll auf die Ausgangstür, die die wütende Frau eben schwungvoll hinter sich zugeknallt hatte, und nahm ein Telefongespräch an.
    Jill schlich mit hängenden Schultern den eisblauen Teppich entlang nach draußen. Auf dem Bürgersteig blieb sie unschlüssig stehen. Halt suchend lehnte sie sich gegen die Hausmauer. Miss Nobody, unerwünscht und überflüssig!
    Schemenhaft jagten Menschen und Autos vorbei.
    „Taxi, Taxi“, hörte sie eine Person kreischen und gleich daraufhin fluchen, „nicht mal die Taxis halten hier!“
    Jill riss reflexartig die Augen auf und erkannte die wütende Frau von eben wieder.
    Sie stand an der Bordsteinkante und winkte vergeblich nach einem freien Taxi. Die Frau war ungefähr in Jills Alter. Dicke, rote, leicht gewellte Haare umrahmten ihr apartes, sommersprossiges Gesicht bis zur Schulter. Der Hosenanzug streckte ihre schlanke Figur und machte sie optisch größer als sie war. An ihren Handgelenken

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