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Schneekuesse

Schneekuesse

Titel: Schneekuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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gefunden zu haben, die auf der sozialen Leiter noch weiter unten standen als Sängerinnen ohne Engagement. Nun saß sie hier Seite an Seite mit der Pennerin.
    „Ich bin Emma“, die Schwarze zog einen weiteren Flachmann aus ihrer Hosentasche, schraubte ihn auf: „Trink! Das hilft! Einerseits ist das Zeug zwar Gift, andererseits kannst du damit vergessen. Mit jedem Schluck näherst du dich dem Vergessen. Manchmal mehr, als dir lieb ist.“ Emmas Wortschatz passte nicht recht zu der Frau von der Straße. Im nächsten Moment übertünchte sie ihr Vokabular durch eine schroffe, bündige Ausdrucksweise, als ob sie es gewaltsam kaschieren müsste.
    „Jill!“, schniefte Jill geistesabwesend, „kannst du dir vorstellen, dass ich School Princess und Homecoming Queen war?“
    Emma musterte Jill kurz und antwortete zu deren Verblüffung knapp: „Ja!“
    „Wieso? Schau mich doch an! Bist du blind, ich ...“
    „Stopp! Erstens siehst du immer noch so aus wie diese zickigen, wasserstoffblonden Supergirlies, die ihre Gehirne auf dem Grabbeltisch gegen das neueste Lakotzshirt mit der Aufschrift ‚ Er hat angerufen ’ vertauscht haben ...“
    „Du hältst dich wohl für besonders schlau ...“, trotz ihres Kummers begriff Jill, dass der Vergleich mit jungen Mädchen keineswegs eine Schmeichelei bedeutete.
    Aber Emma wischte ihre Empörung mit einer Handbewegung weg: „Und zweitens ertrinkst du gerade.“
    „Was soll das jetzt? Ertrinken! “
    „Ja, in Selbstmitleid.“
    Jill spitzte ärgerlich die Lippen: „Phh ... Du sagst doch selbst, dass ich es nur dazu gebracht habe, als eine alternde Girlie-Kopie herumzulaufen.“
    „Habe ich nicht. Ich habe bloß bemerkt, dass du so aussiehst. Aber wer du bist, weiß ich nicht.“
    „Ich auch nicht, das ist ja das Dilemma!“
     
    Obwohl Jill sich weit weg sehnte, blieb sie auf der Bank hocken. Neben dieser Pennerin. Es gab keinen Ort, wo sie hätte hingehen können. Es gab keine anderen Menschen, die sich mit ihr unterhalten hätten.
    Emma breitete die Arme wie ein Wanderprediger aus, der mit vollmundiger Stimme Leute herbeiruft. „Sieh dich um! Die weite Grasfläche, die alten Bäume, der endlose Himmel. Und alles gehört uns! Wir sitzen hier wie die Könige. Kann jemand reicher sein als wir?“ Die kleinen gelben Pünktchen in ihren Augen leuchteten.
    Eine Spinnerin! Jill rückte einen Zentimeter von Emma ab, die billigen Fuselgeruch ausatmete.
    Emma philosophierte lautstark über die Schönheit der Natur. „Hast du schon mal so ein Blau gesehen? Der Himmel ist schöner als das Meer, was meinst du? Er zwängt nicht ein, das Meer aber kann dich verschlucken. Es ist nicht ehrlich, auch wenn es ganz glatt und blau wie der Himmel erscheint, trügt es doch ...“
    Zwei ältere Damen mit zartem Lilastich in den gefärbten Haaren rümpften im Vorbeigehen verächtlich die Nasen.
    Komischerweise animierte diese Geste Jill dazu, wieder einen Zentimeter dichter an Emma heranzurutschen.
    Das Leben blieb ein soziales Gefüge. Innerhalb der Gruppen herrschten wohl Intrigen und Hackordnungskämpfe, aber nach außen hielt man zusammen. Und momentan gehörte sie eher zu Emma als zu den lila Schachteln.
    Emma teilte eine Packung Butterkekse mit Jill und redete. Sie tat offensichtlich den ganzen Tag nichts anderes außer Essen, Trinken und Reden – wenn sie jemanden fand, der ihr zuhörte. Ein Wortschwall jagte den nächsten. Sie stopfte die Kekse in sich hinein, sabberte Krümel auf die Erde, während sie dabei ohne Punkt und Komma schwatzte. „Mmmm ... Weißt du, es stimmt, dass ich fresse und fresse, deswegen bin ich fett. Früher war ich so schlank wie du – na ja, nicht ganz! Aber irgendwann fing ich an, allen Kummer in mich hineinzufressen. Und weil es davon reichlich gibt, bin ich so dick. Manchmal denke ich, ich platze. Meine Haut kann den Kummer nicht mehr fassen. Und deswegen brauche ich Ablenkung. Ich habe die Natur entdeckt. Du wirst sehen, sie hilft immer. Auch dir!“
    Jill schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Na ja ..., so’n Schluck zwischendurch natürlich auch“, Emma klopfte grinsend gegen einen weiteren Flachmann. „Wenn du einsam bist, legst du dich mit geschlossenen Augen ins Gras, und du spürst, wie dich die Natur mit allen ihren Sinnen aufnimmt. Ganz behutsam, du musst Geduld haben. Sie lässt sich nicht überrumpeln oder gar kaufen. Natur ist das Einzige, was nicht korrupt ist, glaube es mir! Ansonsten sind wir es alle, du und ich.“
    Für Emma waren der

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