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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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genossen oder sich vorzustellen versuchten, wie es sein musste, sich mit Skiern an den Füßen auf den Absprungbalken zu setzen. Oder vom Turm zu fallen, senkrecht auf die Häuser zuzurasen und von den Zweigen der Bäume dort unten zerfetzt zu werden.
    Harry betrat den Raum und wandte sich der Silhouette zu, die sich vor den Lichtern der Stadt abzeichnete. Sie saß auf der Außenseite des Geländers im Rahmen des großen, geöffneten Fensters. Daher also der kalte Luftzug.
    “Schön, oder?” Mathias’ Stimme klang leicht, fast fröhlich. “Wenn du die Aussicht meinst, kann ich dir nur recht geben.” “Ich meine nicht die Aussicht, Harry.”
    Mathias ließ ein Bein aus dem Fenster baumeln. Harry blieb an der Treppe stehen.
    “Und? Wer hat sie getötet, Harry? Du oder der Schneemann?” “Was glaubst du?”
    “Ich glaube, du warst es. Du bist ja so klug. Ich habe fest mit dir gerechnet. Fühlt sich beschissen an, oder? Natürlich ist es dann nicht mehr so leicht, die Schönheit in dem Ganzen zu sehen. Ich meine, wenn man gerade den Menschen getötet hat, den man über alles liebt.”
    “Tja”, meinte Harry und trat einen Schritt näher. “Über dieses Thema weißt du wahrscheinlich nicht allzu viel.”
    “Nicht?” Mathias lehnte den Kopf nach hinten an den Fensterrahmen und lachte. “Die erste Frau, die ich getötet habe, habe ich über alles in der Welt geliebt.”
    “Warum hast du es dann getan?” Harry spürte, wie ihn die Schmerzen durchzuckten, als er die rechte Hand nach hinten zu seinem Revolver führte.
    “Weil meine Mutter eine verlogene Hure war”, antwortete Mathias.
    Harry schwang die Hand nach vorn und hob den Revolver. “Komm da runter, Mathias. Die Hände hoch.”
    Mathias sah Harry neugierig an. “Weißt du, dass es mindestens eine zwanzigprozentige Chance gibt, dass deine Mutter nicht anders war, Harry? Mit zwanzigprozentiger Sicherheit bist du auch so ein Hurensohn. Was sagst du dazu?”
    “Du hast gehört, was ich gesagt habe, Mathias.”
    “Ich will es dir ein bisschen leichter machen, Harry. Zum einen weigere ich mich, deinem Befehl nachzukommen. Zum anderen kannst du ja behaupten, du hättest meine Hände nicht gesehen, und ich könnte ja eine Waffe haben. Also, schieß schon, Harry.”
    “Komm da runter.”
    “Oleg ist ein Hurensohn, Harry. Und Rakel war eine Hure. Du solltest mir dankbar sein, dass du sie richten durftest.”
    Die losen Enden der Handschellen schlugen aneinander, als Harry die Waffe in die linke Hand nahm.
    “Denk doch mal nach, Harry. Wenn du mich festnimmst, werde ich doch nur für verrückt erklärt, ein paar Jahre in die Psychiatrie abgeschoben und dann wieder freigelassen. Erschieß mich lieber gleich.”
    “Du willst doch nur sterben”, erwiderte Harry und kam näher, “weil du sowieso bald an Sklerodermie krepierst.”
    Mathias schlug mit der Hand gegen den Fensterrahmen. “Gute Arbeit, Harry. Du hast also überprüft, was ich dir über den Antistoff in meinem Blut gesagt habe.”
    “Ich habe Idar gefragt. Und dann nachgeschlagen, was Sklerodermie bedeutet. Bei dieser Krankheit ist es irgendwie naheliegend, sich für einen anderen Tod zu entscheiden. Zum Beispiel für einen spektakulären Abgang, um damit sein sogenanntes Lebenswerk zu krönen.”
    “Ich höre die Verachtung in deiner Stimme, Harry. Aber auch du wirst mich eines Tages verstehen.”
    “Und was soll ich da verstehen?”
    ” Dass wir in der gleichen Branche arbeiten, Harry. Uns geht es beiden um die Bekämpfung von Krankheiten, aber die Krankheiten, die wir - du und ich - bekämpfen, lassen sich nicht ausrotten, deshalb sind alle Siege nur vorläufig. Vorübergehend. Unsere eigentliche Lebensaufgabe ist doch der Kampf. Und meiner endet hier. Willst du mich nicht erschießen, Harry?”
    Harry begegnete Mathias’ Blick. Dann drehte er den Revolver um und reichte ihn Mathias, den Schaft voraus. “Tu’s doch selbst, du Arsch.”
    Mathias zog eine Augenbraue hoch. Harry sah das Zögern, das Misstrauen, aus dem schließlich ein Lächeln wurde.
    “Wie du willst.” Mathias streckte die Hand über das Metallgeländer und nahm die Waffe entgegen. Liebkoste den schwarzlackierten Stahl.
    “Das war ein großer Fehler von dir, mein Freund”, verkündete er und richtete den Revolver auf Harry. “Du bist ein würdiger Abschluss, Harry. Die Garantie dafür, dass mein Werk in Erinnerung bleiben wird.”
    Harry starrte in die schwarze Mündung und sah, wie der Hahn seinen hässlichen,

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