Schneesturm und Mandelduft: Kriminalroman (German Edition)
würde die Suche nach dem Mörder beginnen.
»Das geht nicht«, sagte Börje leise. Er verwies auf den Sturm, der vor dem Fenster heulte, und auf den Schnee, der inzwischen so dicht fiel, dass er wie eine weiße Wand aussah.
»Was heißt da, das geht nicht?«, entgegnete Martin entschlossen. »Wir müssen doch aufs Festland fahren können!«
»Nicht bei diesem Wetter. Das ist unmöglich.« Börje breitete resigniert die Hände aus.
»Aber es ist doch nicht weit.« Martin hörte die Irritation in seiner eigenen Stimme und mahnte sich zu Geduld. Wenn jemand hier die Fassung bewahren musste, dann schließlich er.
»Börje hat recht«, meldete sich dessen Frau zu Wort. »Wir können auf keinen Fall mit dem Boot hinausfahren. Der Wind bläst mit voller Kraft gegen den Steg, und bei dieser Windstärke ist das unmöglich. Nein, wir müssen ganz einfach abwarten, bis das Schneetreiben nachlässt.«
»Dann müssen wir den Seerettungsdienst anrufen«, erklärte Martin resolut.
»Das Telefon funktioniert nicht, haben Sie das nicht gehört?«, sagte Bernard in einem Ton, der deutlich machte, dass er Martin für einen Idioten hielt.
»Wofür gibt es denn Handys!« Martin holte sein Telefon aus der Hosentasche, stellte aber entsetzt fest, dass auf dem Display kein einziger Balken abgebildet war, der den Empfang hätte anzeigen können.
»Verdammt noch mal!«, rief er und hielt sich mit Müh und Not zurück, das Telefon nicht gegen die Wand zu werfen.
»Hab ich doch gesagt«, sagte Bernard und grinste. Martin hätte ihn am liebsten geohrfeigt.
»Wollt ihr damit sagen, dass wir hier festsitzen?«, schluchzte Miranda und klammerte sich an Mattes Arm. Der schien sie kaum zu bemerken. Er blickte mit tränennassen Augen auf den Mann, der vornübergesunken in seinem Rollstuhl saß.
Zum ersten Mal fiel Martin auf, dass Matte der Einzige war, der von den bohrenden Fragen während des Essens verschont geblieben war, und dass er jetzt auch der Einzige war, der über den plötzlichen Tod des Großvaters zu trauern schien. Als hätte er Martins Gedanken gelesen, ging Matte zu dem alten Mann, hob sanft dessen Kopf vom Teller hoch und säuberte ihm vorsichtig das Gesicht mit einer Serviette. Alle blickten wie hypnotisiert zu Matte, aber keiner unternahm einen Versuch, ihm zu helfen. Als Rubens Gesicht von allen Essensresten befreit war, lehnte Matte ihn vorsichtig gegen die Rückenlehne und legte die Decke auf seinen Beinen zurecht.
»Danke, Matte …«, sagte Britten und sah ihn dankbar an.
»Wir sollten ihn an einen kühlen Ort legen«, sagte Martin und vermied es, Matte anzusehen. »Wenn wir hier nicht wegkommen, ist es wichtig, dass wir die Beweisstücke sicherstellen.« Er drückte sich zweifellos ungeschickt aus, aber im Augenblick war er der Einzige, der die Untersuchung in die richtigen Bahnen leiten und zusehen konnte, dass der Schaden so gering wie möglich blieb. Irgendwo in diesem Haus befand sich ein Mörder, und er hatte nicht die Absicht, ihn ungestraft davonziehen zu lassen.
»Wir können ihn in die Kühlkammer legen«, sagte Börje, der vortrat, um zu helfen.
»Gut«, antwortete Martin knapp. Da der Tote in einem Rollstuhl saß, war der Transport relativ einfach, da man den Leichnam nur bis zur Kühlkammer schieben musste.
»Kann man die Tür abschließen?«, fragte Martin Börje. Dieser nickte und deutete auf ein Hängeschloss neben der Tür.
»Wir wollen ja nicht, dass unsere Gäste die Rinderfilets klauen«, erklärte er mit einem schiefen Lächeln, das schnell verflog, als es von Martin nicht erwidert wurde.
Nachdem sie Rubens Leichnam eingeschlossen hatten, kehrten Martin und Börje in den Speisesaal zurück. Die anderen standen noch immer an exakt derselben Stelle, wo sie sie kurz zuvor zurückgelassen hatte. Keiner schien imstande, sich zu bewegen.
»Gehen wir in die Bibliothek«, sagte Martin und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung des Raumes am Ende des Flures. »Börje, haben Sie Cognac im Haus?« Börje nickte und lief los, um eine Flasche zu holen. »Könnten wir im Kamin ein Feuer anzünden −?« Martin kramte in seinem Gedächtnis, hatte aber außer »meine Gattin« keinen anderen Namen für den weiblichen Part ihrer Gastgeber parat.
»Kerstin, ich heiße Kerstin«, ergänzte sie. »Ja, das geht ohne weiteres. Ich kümmere mich darum.«
Auch sie verschwand, und Martin blickte nun auffordernd zu den Mitgliedern der Familie Liljecrona hinüber, da sich nach wie vor niemand
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