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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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    Prolog
    Aaron Keitel beobachtete, wie seine linke Hand den Schlitten der Halbautomatik zurückzog und nach vorn schnappen ließ. Er hob die Waffe über den Kopf und zielte vage auf das Blattwerk des Dschungelbaums, in dem er einen der verdammten Vögel vermutete. Die Vögel schrien, seit Stunden schrien sie, ununterbrochen brüllten sie wütend gegen die kleine Truppe von Fremden an, die sich erdreistete, in ihr abgelegenes Revier einzudringen.
    Der Amerikaner legte den Finger an den Abzug und stellte sich vor, wie er das Magazin der Walther P99 in einen der Bäume feuerte, sämtliche 15 Schuss. Er sah vor seinem geistigen Auge, wie Äste, Blätter und blutige Federn in alle Richtungen stoben. Warum eigentlich nicht? Es gäbe einen ohrenbetäubenden Lärm, sicherlich, aber danach hörten die Vögel vielleicht auf zu schreien.
    Keitel senkte seine Waffe. Er musste sich zusammenreißen. Ihm war bewusst gewesen, dass die Expedition in die Aramia-Ebene, einen besonders entlegenen Teil Papua-Neuguineas, seinen Körper auslaugen und seine Nerven zerrütten würde. Aber sie stapften erst seit zweiTagen durch den feuchtheißen Dschungel, und es war noch ein bisschen zu früh, um den Verstand zu verlieren. Später vielleicht.
    Er sicherte die Walther und steckte sie wieder in das Gürtelholster. Jetzt erst fiel ihm das faustgroße Insekt auf, das bereits sein Schienbein hinaufgeklettert war und sich nach einer kurzen Positionsbestimmung nun anschickte, in Richtung seines Schritts weiterzukrabbeln. Keitel schüttelte sein Bein. Es gab ein knirschendes Geräusch, als er den Blutsauger unter seinem Springerstiefel zerquetschte.
    Er blieb stehen und schaute sich um. So weit das Auge reichte, erblickte man nichts als von dichten Schlingpflanzen überzogene Bäume und undurchdringliches, mannshohes Gebüsch. Straßen und Siedlungen gab es in der Südprovinz fast keine. Stattdessen war das Land reich an giftigen Insekten und tückischen Sümpfen. Das Gebiet um den Aramia-Fluss galt nicht umsonst als die unerfreulichste Ecke Papua-Neuguineas.
    Während Aaron Keitel weiterstapfte, wischte er die schweißnassen Hände an seiner kakifarbenen Survivalweste ab und musste dabei unwillkürlich grinsen. Es gab vermutlich überhaupt keine Ecke Papua-Neuguineas, die nicht unerfreulich war, vielleicht mit Ausnahme des Crowne Plaza in der Hauptstadt Port Moresby. Die ganze verdammte Insel war ein feuchtwarmes Höllenloch.
    Nach einer Weile hielt Keitel an und bedeutete seinem einheimischen Führer zu warten. Er schraubte eine Wasserflasche auf, nahm einen tiefen Schluck und goss den Rest über seine von Schweiß und Dreck verklebten blonden Haare. Dann zertrat er einen besonders bizarr aussehenden Käfer von der Größe eines Meerschweinchens.Das Ungeziefer war ihm für gewöhnlich gleichgültig. Seine Expeditionen hatten ihn unter anderem nach Indochina, Java und in den brasilianischen Regenwald geführt. Über die Jahre hatte er sich an Insekten jeder Art und Größe gewöhnt. Papua-Neuguinea stellte jedoch selbst erfahrene Globetrotter vor eine Herausforderung. Tagsüber war es heiß und feucht, nachts eisig kalt. An Schlaf war in der Wildnis kaum zu denken – zum einen wegen des Klimas, zum anderen wegen des Ungeziefers, das unentwegt versuchte, in sämtliche Körperöffnungen einzudringen.
    Er winkte seinen Guide zu sich. »Sekou, wie weit ist es noch?« Anders als der mit modernster Hiking-Kleidung ausgestattete Keitel trug der schmächtige Guineer lediglich Shorts und ein arg verblichenes Trikot des Fußballvereins Manchester United. Weder schwitzte er, noch sah er erschöpft aus. »Nicht weit jetzt, Sir. Tulai haben Lager dort drüben«, sagte Sekou und machte eine unbestimmte Handbewegung in Richtung der vor ihnen aufragenden Wand aus Blättern, Ästen und Lianen. Keitel nickte, warf die Plastikflasche ins Gebüsch und lief weiter.
    Die Tulai waren ein Stamm, der auf dem entlegenen Oriomo-Plateau im Südwesten der Pazifikinsel lebte. Fast zwei Monate hatte Keitel in der Hauptstadt und in einem Provinznest namens Daru verbracht, um einen Kontakt zu Ratu Koca, dem obersten Tulai-Häuptling, herzustellen.
    Der Stamm bekam normalerweise keinen Besuch von amerikanischen Geschäftsleuten – oder von irgendwem sonst. Nur alle paar Jahre verirrte sich ein Ethnologe oder ein Sprachwissenschaftler in die Gegend, um dasLeben der scheuen Jäger und Sammler oder ihren seltsamen Stammesdialekt zu studieren. Kaum jemand interessierte sich

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