Schneller als der Tod
war damals Akfal im Dienst.
»Was ist los, Doc?«, fragt er mich.
»Nichts weiter, Sir«, sage ich ihm.
»Sparen Sie sich den Sir. Ich arbeite, um zu leben«, sagt er. Das sagt er jedes Mal. Es ist ein Soldatenwitz, mit dem er klarstellt, dass er kein Offizierspatent hatte oder so etwas. »Erzählen Sie mir einfach, was sich so tut, Doc.«
Da ihn sein Gesundheitszustand nicht weiter interessiert, erfinde ich irgendeinen Quatsch über die Regierung. Er wird nie erfahren, dass es Unsinn ist.
Als ich anfange, ihm die stinkenden Füße zu verbinden, sage ich: »Außerdem habe ich auf dem Weg zur Arbeit heute Morgen eine Ratte mit einer Taube kämpfen sehen.«
»So? Wer hat gewonnen?«
»Die Ratte«, sage ich ihm. »Mühelos.«
»Kann man sich vorstellen, dass die Ratte die Taube kriegt.«
»Das Irre war«, sage ich, »die Taube hat nicht lockergelassen. Aufgeplustertes Gefieder, und sie war voll Blut. Jedes Mal, wenn sie ankam, hat die Ratte zugebissen und sie auf den Rücken geworfen. Starke Viecher irgendwie, aber es war ziemlich eklig.« Ich setze ihm das Stethoskop auf die Brust.
Mosbys Stimme dröhnt durch die Ohrhörer. »Die Ratte muss der Taube schwer was getan haben, wenn die so hartnäckig war.«
»Bestimmt«, sage ich. Ich drücke an seinem Bauch herum, um zu sehen, ob's weh tut. Mosby spürt anscheinend nichts. »War heute Morgen schon eine Schwester bei Ihnen?«, frage ich.
»Klar. Die kommen doch ständig.«
»Die mit den weißen Röckchen und den Hauben?«
»Oft genug.«
Mhm. Wenn man eine Frau in dem Aufzug sieht, ist das keine Krankenschwester, sondern ein Stripogramm. Ich betaste die Drüsen an Mosbys Hals.
»Ich habe einen Witz für Sie, Doc«, sagt Mosby.
»So? Was denn für einen?«
»Arzt sagt zu einem Typ: >Ich hab zwei schlechte Neuigkeiten für Sie. Die Erste ist, Sie haben Krebs.< Sagt der Mann: >Du lieber Gott! Und die Zweite?< Sagt der Arzt: >Sie haben Alzheimern Sagt der Mann: >Na, wenigstens hab ich keinen Krebs!«<
Ich lache.
So, wie ich immer lache, wenn er mir den Witz erzählt.
In dem vorderen Bett in Mosbys Zimmer - dem Bett, das Mosby belegt hatte, bis die Stationsschwester auf die Idee kam, er könnte weniger leicht abhauen, wenn er es anderthalb Meter weiter bis zur Tür hätte - liegt ein mir unbekannter dicker Weißer mit kurzem blonden Bart und Nackenspoiler. Fünfundvierzig. Er liegt wach auf der Seite und hat das Licht an. Auf dem Bildschirm vorhin sah ich, dass er als »Aktuelle Beschwerden« - das ist die Spalte, die den Patienten im Wortlaut zitiert und ihn wie einen Idioten aussehen lässt -schlicht »Arschweh« angegeben hat.
»Ihnen tut der Hintern weh?«, sage ich zu ihm.
»Ja.« Er beißt die Zähne zusammen. »Und jetzt tut mir auch noch die Schulter weh.«
»Bleiben wir erst mal beim Hintern. Seit wann haben Sie das?«
»Das hab ich doch alles schon erzählt. Steht in meiner Akte.«
Das stimmt wahrscheinlich. In der Akte auf Papier jedenfalls. Da die Akte aber vom Patienten eingesehen werden darf und auf richterliche Anordnung vorgelegt werden muss, besteht kein großer Anreiz, sie lesbar zu gestalten. Arschmanns Krankenakte sieht aus wie ein paar von Kinderhand gezeichnete Wellen.
Seine elektronische Patientenakte - die vertraulich ist und in der mir jeder mitteilen kann, was ihm nötig erscheint -enthält außer »AB: Arschweh« nur zwei Wörter: »Einsam? Ischias?« Ich weiß nicht mal, ob »einsam« heißen soll, dass er vielleicht nicht ganz dicht ist.
»Ich weiß«, sage ich. »Aber manchmal hilft es, wenn man's noch mal erzählt.«
Er glaubt mir nicht, aber was will er machen?
»Mein Arsch fing an, weh zu tun«, legt er widerwillig los. »Zwei Wochen lang wurde es immer schlimmer. Dann bin ich hierher in die Notaufnahme.«
»Sie sind ins Krankenhaus gefahren, weil Ihnen der Arsch weh getan hat? Das muss ja wirklich weh tun.«
»Es bringt mich verdammt nochmal um.«
»Immer noch?« Ich sehe mir seinen Schmerzmitteltropf an. Bei so viel Dilaudid müsste er sich mit einem Schälmesser die Haut von der Hand abziehen können.
»Immer noch. Und ich bin keineswegs medikamentenabhängig. Und jetzt ist der Scheiß auch noch in meiner Schulter.«
»Wo denn da?«
Er zeigt auf eine Stelle etwa in der Mitte seines rechten Schlüsselbeins. Würde ich zwar nicht gerade Schulter nennen, aber sei's drum.
Man sieht nichts. »Tut das weh?«, sage ich und drücke die Stelle leicht. Der Mann schreit.
»Wer ist da!?«,
fragt Duke Mosby laut von
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