Schnitzelfarce
diesen Weicheiern hielt. »Insgesamt hat er also noch 17 Schuss zur Verfügung .«
Ein bisschen viel, um ernsthaft hoffen zu
können, dass ihm das Pulver ausgehen würde, musste Palinski zugeben.
»Also dann wieder zurück in die Schlacht.« Jetzt hatte er sich
auch schon diese kriegerische Diktion angewöhnt. Vielleicht sollte er aber
vorher doch noch aufs Klo gehen.
* * * * *
Die erste Tagebucheintragung, die Ansbichler
lesen musste, war vor mehr als neun Jahren verfasst worden. Damals hatte Rick
seinen Vater erstmals alleine in Wien besucht. Einige Tage später war Mraz
erkrankt und froh darüber, dass sich Ansbichler bereit erklärt hatte, den Buben
im Zuge einer Dienstreise nach Innsbruck zurückzubringen.
Die Nacht hatten die beiden in einem Doppelzimmer in einem Hotel
nahe Zell am See verbracht.
»Wie ich aufgewacht bin, ist Onkel Robert neben mir im Bett
gelegen und hat mich überall gestreichelt. Obwohl ich weiß, dass das nicht
richtig war, hat mir das, was er mit mir gemacht hat, gut gefallen. Ich habe
mich so beschützt gefühlt .«
Einige weitere Eintragungen dokumentierten lückenlos, dass der
große Stecher Ansbichler nicht eindeutig auf nur ein Geschlecht fixiert gewesen
war. Die Tagebücher legten dar, dass der Stadtrat neben seinen zahlreichen
heterosexuellen zumindest eine regelmäßige homosexuelle Beziehung geführt hatte.
Aber Rick schien mehr für Ansbichler gewesen zu sein als nur ein
gelegentlicher Sexualpartner. Wie den vier vom Stadtrat mit leiser, gerade noch
verständlicher Stimme vorgetragenen Passagen zu entnehmen war, mochten sich die
beiden wirklich.
Palinski gewann den Eindruck, dass das Verhältnis mit der Zeit
dem einer langjährigen, durchaus guten, aber offenen Ehe entsprach. Man schlief
gelegentlich mit einander, ging im Übrigen aber eher kameradschaftlich mit
einander um. Vor allem aber auch seiner eigenen Wege. Das Einzige, was dabei
rechtlich nicht stimmte, war das Alter des einen Partners. Zumindest in den
ersten Jahren der Beziehung.
Rick war nicht eifersüchtig auf Ansbichlers Frauen. Im
Gegenteil, Carola Schmuck schien er sogar richtig verehrt zu haben. In einigen
Eintragungen verglich er sie sogar mit seiner Mutter. Später beklagte Rick auch
zunehmend die miese Art, mit der ›der Robert‹ seine wunderbare Frau behandelt
hatte. Als Mraz Sohn nach Wien kam, um zu studieren, machte der Stadtrat einen
entscheidenden Fehler. Er begann, den Burschen in seine Weibergeschichten mit
einzubeziehen, ihn als Komplizen zu behandeln und zuletzt auch auszunützen.
Die über das bisher Gehörte offensichtlich schockierten Geiseln
schüttelten immer wieder die Köpfe und gaben ihrer Abscheu lautstark Ausdruck.
So eine Heuchlerpartie, dachte sich Palinski. Tun so, als ob sie selbst alle
Engerln wären.
Plötzlich weigerte sich der bis dahin gebrochen wirkende
Stadtrat vehement, weiter zu lesen. Worauf Mraz sich veranlasst sah, einen
weiteren Schuss in den Boden abzugeben. Diesmal noch etwas knapper an
Ansbichlers Fuß vorbei. Also doch ein Meisterschütze, dachte Palinski.
»Gestern hat mir Robert eine Geschichte erzählt, in der ein Mann
seine Frau ermorden lässt. Auf sehr raffinierte Weise, weil es so aussieht, als
ob der Mann das eigentliche Opfer eines Anschlages war und die Frau nur
zufällig an seiner Stelle getötet wurde. Am Ende hat er noch gemeint, das müsse
man sich merken. Falls man es eines Tages selber brauchen könnte. Ich habe das
ungemein geschmacklos gefunden .«
Jetzt war klar, dass Ansbichlers bis nach
den Wahlen vorgesehene Schonfrist schon heute Abend beendet sein würde. Den
konnte jetzt keiner mehr retten, dachte sich Palinski und war nicht wirklich
traurig darüber. Jetzt galt es vor allem zu verbergen, dass ein Großteil des
belastenden Materials der Polizei und vor allem dem Minister bereits bekannt waren . Andernfalls könnte sich wirklich eine heikle
demokratiepolitische Situation ergeben.
An der Wirtschaftsuniversität hatte Rick
Sabine Baltegg, die Tochter eines Klagenfurter Anwaltes kennen gelernt und sich
mit ihr befreundet. In allen Ehren, wie man es früher so schön nannte. Sabine
war häufig nicht in Wien und Rick passte in diesen Phasen auf ihre Wohnung im
›Blaschek-Haus‹, Ecke Billrothstraße/Döblinger Hauptstraße auf. Gelegentlich
traf er sich dort auch mit Ansbichler, der sich die Wohnung immer öfter auch
für seine flüchtigen heterosexuellen Abenteuer
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