Schnitzelfarce
einigen Jahren in Behandlung gewesen war, der Guru einer osteuropäischen
Sekte, der Mraz angehörte, der Schwager des unverheirateten Einzelkindes mit
der Waffe in der Hand.
Endlich, nach mehr als zwanzig Minuten war ein weiteres
Fernsehteam am Ort des Geschehens eingetroffen. Damit konnten jetzt auch Bilder
über das Geschehen außerhalb des Saales mit den Geiseln gesendet werden. Und da
war dann auch ihr Mario endlich zu sehen.
»Ein recht gut aussehender Mann«, meinte Wilmas Bettnachbarin
zur Linken nach einigem Zögern. »Durchaus«, bekräftigte auch die zur Rechten.
»Vielleicht ein wenig unkonventionell.«
Was das aus dem Mund der beiden bedeutete,
war Wilma klar. Er sah aber wirklich irgendwie eigenartig aus. Diese
unzeitgemäß langen Haare. Und die betont legere Kleidung fiel im Kreis der
elegant gekleideten Angehörigen der Trauergesellschaft besonders auf. Auch sein
Bart war schon einmal gepflegter gewesen. Wenn er sie wirklich heiraten wollte,
also wirklich. Sie würde bei Gelegenheit einige ernste Worte mit ihm wechseln
müssen.
Im Festsaal, dem Zentrum des Geschehens war das Bild noch
unverändert. Der nicht sonderlich böse aussehende Mann bedrohte immer noch den
unsicher blickenden Stadtrat am Redepult. Die Waffe hatte er inzwischen
allerdings in die andere Hand genommen.
Die übrigen an der Festtafel sitzenden Geiseln, darunter
Bürgermeister Lattuga, Vizebürgermeisterin Altmann, Altbürgermeister Dr. Ladak
und seine Romy hatten sich als nicht unmittelbar mit der Waffe bedrohte
Personen offenbar an die Situation gewöhnt, überlegte Wilma, denn sie
unterhielten sich. Nicht so heiter und unbeschwert, wie sonst auf solchen
Veranstaltungen üblich, aber immerhin ohne erkennbaren Stress. Zwei der
Geiseln, deren Namen sie nicht kannte, schienen sogar ein wenig zu viel
getrunken zu haben. Beide Herren waren bester Laune und hielten damit auch
nicht hinter dem Berg.
»Wenn nicht bald was passiert, sollten wir wieder auf das andere
Programm schalten«, meinte Wilmas linke Bettnachbarin jetzt. »Das hier wird ja
langsam langweilig .«
Wilma nickte nur. Die beiden links und rechts von ihr sollten
erfahrungsgemäß innerhalb der nächsten halben Stunde einschlafen. Dann würde
sie wieder auf diesen Kanal zurückkommen. Die ganze Situation sah ohnehin nach
›Open End‹ aus.
* * * * *
Inzwischen fühlte sich Palinski bereit, Walter
Mraz gegenüberzutreten. Ehe er den Saal betrat, fiel ihm aber noch etwas ein.
Er ersuchte ›Miki‹ Schneckenburger, in Innsbruck eine Frau namens Ilse
ausfindig zu machen. Ihr Mädchenname war Kitzman, wie sie nach ihrer Heirat
hieß, wusste er allerdings nicht. Diese Frau war die ehemalige Freundin von
Walter Mraz und die Mutter seines ermordeten Sohns. »Vielleicht kommen wir in
eine Situation, in der sie uns helfen kann«, rechtfertigte er seinen Wunsch.
Jetzt stand Palinski Mraz auf eine Distanz von
rund 10 Metern gegenüber. »Walter, Walter, was machen Sie bloß für Sachen? Was
soll denn das Ganze? Geben Sie mir die Waffe und lassen Sie uns diese peinliche
Inszenierung beenden. Ich bin sicher, dass Sie dann relativ glimpflich davon
kommen werden .«
»Ich habe Vertrauen zu Ihnen. Seit unserem Gespräch über Kinder
habe ich das Gefühl, dass Sie mich verstehen. Darum wollte ich auch nur mit
Ihnen sprechen .« Er blickte Palinski traurig an.
»Enttäuschen Sie mich nicht, indem Sie so einen Scheiß daher reden. Haben Sie
eine Zigarette für mich ?«
»Tut mir leid, ich bin Nichtraucher«, schwindelte der
gelegentliche Zigarillofan Palinski.
Mraz nestelte mit der linken Hand in seiner Jackentasche,
förderte ein Packerl Glimmstängel heraus und warf sie seinem Gegenüber zu.
»Aber anzünden werden Sie mir doch eine können, oder ?« Palinski fischte sich eine Zigarette heraus, nahm sie vorsichtig zwischen zwei
Finger und ging damit zum nächsten Tisch. Dort hielt er die Filterlose einem
der Männer hin. »Darf ich Sie bitten, diese Zigarette anzuzünden .«
»Aber mein Arzt ...«, wollte der
Angesprochene protestieren, doch Palinski ließ ihn gar nicht zu Wort kommen.
»Sie sollen das Teufelszeug nicht rauchen, sondern nur
anzünden«, fuhr er den leicht eingeschüchterten Ehrengast an. »Das werden Sie
doch noch zusammenbringen ?«
Der Mann wagte keinen Widerspruch mehr, nahm ein sehr teuer
aussehendes Feuerzeug heraus und steckte die Zigarette an. Nach einem tiefen,
gierigen Zug - auf Lunge,
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