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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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normal. Aber dann kam er an meinen Tisch, redete mich blöd an. Er wüsste schon, dass seine Frau mich auf ihn angesetzt hätte. Und dann – Sendepause. Als hätte jemand den Stecker rausgezogen.«
    »Keine Erinnerung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nur … Es war eisig kalt.« Wieder kam dieser widerliche Verdacht hoch, den sie die ganze Zeit unterdrückt hatte. Sie zog die Schultern zusammen.
    »Katinka«, sagte Hardo. »Habe ich das richtig verstanden? Sie können sich an nichts erinnern? An gar nichts?«
    »Nein. Ich bin auf der Schleusenmauer in Gaustadt aufgewacht. Er muss mich da abgesetzt haben. Irgendwann in der Nacht.«
    »Er kann Ihnen was eingeflößt haben. Sie haben doch was getrunken?«
    »Ja. Ein Spezi.«
    »Haben Sie Ihr Glas mal aus den Augen gelassen? Nur für eine Sekunde?«
    Katinka wiegte den Kopf.
    »Zwei Pärchen kamen rein. Die wollten Geld für den Flipper wechseln. Sicher, ich habe zu denen rübergeguckt, aber …«
    »Ein kurzer Moment reicht, um jemandem was ins Getränk zu schmuggeln«, gab Hardo zu bedenken.
    »Ich habe nichts geschmeckt.«
    »Das Zeug ist so gut wie geschmacklos, farblos sowieso, in einer süßen Limonade bemerkt man gar nichts.«
    »Und dann … war ich ohnmächtig?«
    »Das nehme ich nicht an. Wie wären Sie sonst aus der Kneipe rausgekommen, ohne dass jemandem etwas aufgefallen wäre? Ich schicke mal einen Kollegen hin, um nachzuforschen. Aber das Zeug macht eher willenlos als ohnmächtig.«
    »K.o.-Tropfen?«
    »Sowas in der Art. War jemand im Rio-Club , der Sie kennt?«
    »Nein.«
    Hardo stand auf und holte das Telefon.
    »Ich rufe jetzt eine Ärztin an. Ich kenne sie gut, keine Angst. Wir lassen Ihnen Blut nehmen.«
    »Nein, bitte nicht«, sagte Katinka.
    Er nahm ihre Hände in seine. Sie waren heiß wie feurige Träume. Unsicher sah sie in seine eisig grauen Augen.
    »Seit einiger Zeit kursiert verstärkt eine Droge in der Szene. GHB, auf amerikanisch Dschii Ejtsch Bii«, sagte er, »Akronym für Gammahydroxybuttersäure. Szenename Liquid Ecstasy. Die Opfer werden ausgeknockt, wachen irgendwann irgendwo auf und können sich an nichts erinnern. Die Droge ist auch als Vergewaltigungsdroge bekannt. In den letzten Monaten gab es immer mehr Fälle. Die Dunkelziffer wird unvergleichbar höher liegen. Viele Betroffene melden sich gar nicht.«
    »Ich glaube nicht, dass …«, flüsterte Katinka, »… dass er mich vergewaltigt hat.«
    Hardo seufzte, wich ihrem Blick aber nicht aus.
    »Wir finden es raus.«
    Er redete in seiner objektiven, Achtung-ich-bin-Polizist-und-weiß-was-zu-tun-ist-Art. Das beruhigte sie, weil es geschäftlich klang. Sie entzog ihm ihre Hände und streifte die Stiefel ab. Sie plumpsten in eine braungraue Pfütze vor Hardos Sofa.
    »Ich habe ihr Wohnzimmer dreckig gemacht«, sagte sie entschuldigend.
    »Scherzkeks«, sagte Hardo und wählte eine Nummer. Das Gespräch dauerte nicht lange.
    »Dr. Koninger kommt vorbei«, sagte er. »Dann können Sie ein Bad nehmen, oder ich bringe Sie nach Hause, wie Sie wollen.«
    Katinka nickte. Hardo zeigte ihr das Bad und legte den Kleiderstapel auf einen Hocker.
    »Ziehen Sie sich die nassen Klamotten aus und versuchen Sie es mit meiner ältesten Jogginghose aus der Zeit, als ich noch schlanker war.«
    Mit einem Grinsen klopfte er sich auf seinen Bierbauch.
    Katinka verschloss die Tür und blickte sich im Spiegel an. Ihre Augen waren gerötet. Sie hatte die Kontaktlinsen schon viel zu lange drin. Mühsam streifte sie die Jeans ab. Ihre Beine schimmerten in einem seltsamen Mix aus Bläulich und Rosa, die Füße weiß, wie abgestorben. Heute Morgen bin ich zehn Jahre älter als sonst aufgewacht, dachte sie. Sie zog die Unterhose aus und befühlte sich. Er hat mich nicht vergewaltigt. Er kann mich unmöglich vergewaltigt haben, ohne dass ich was gemerkt habe. Doch von dieser Nacht war nichts geblieben, keine Erinnerung, nichts außer Schwärze, Kopfschmerzen und einem übermächtigen Gefühl von Ekel.
    Was sind das für Drogen, von denen Hardo gesprochen hat, fragte sie sich, während sie sich wieder anzog, die Kordel seiner Hose so eng wie möglich schnürte und sich doch vorkam wie ein Zirkusclown. Sie warf ihren Mantel und den Pulli über den Badewannenrand und schlüpfte in Hardos T-Shirt und Rollkragenpullover. Der fühlte sich warm und struppig an und roch unverkennbar nach dem Aftershave, das der Kommissar benutzte: nach Ozean, Salz, Möwenkreischen. Katinka zog die Socken an, auch die ein paar

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