Schockstarre
werden.«
»Nehmen wir an, er kalkuliert ein, dass Sie ihn anzeigen. Doch er nennt Ihnen einen falschen Namen. Ist überzeugt, niemals aufgefunden zu werden. Dann bräuchte er kein Kondom, um irgendwelche späteren Nachforschungen zu torpedieren.«
»Es sei denn, er macht sowas öfter. Er hat vielleicht Bedenken, dass seine DNA schon gespeichert ist.«
Die Ärztin wiegte unentschlossen den Kopf.
»Warum hat er meine Waffe gestohlen?«, bohrte Ka-tinka weiter.
Dr. Koninger stand auf und ging um ihren Schreibtisch herum. Sie stellte sich neben Katinka und sagte freundlich:
»Wie geht es Ihnen besser – wenn Sie abschalten oder wenn Sie nachdenken?«
»Wenn ich den Fall löse.«
Die Ärztin lachte.
»Schön. Dann lösen Sie den Fall. Ich bin Medizinerin. Hardo ist Polizist. Was dagegen, wenn ich ihn hereinbitte?«
»Nein,« sagte Katinka gereizt. Alle agierten mit so viel Takt und Behutsamkeit, dass sie sich vorkam, als litte sie an einer gefährlichen Krankheit. Hardo kam hereingestürmt wie Schimanski.
»Könnte es sein, dass er die ganze Aktion gestartet hat, um an meine Waffe zu kommen?«, dachte Katinka laut. Der Gedanke ließ sie erneut frösteln. Sie zog den Mantel enger um sich. Er war immer noch feucht und roch nach Modder.
»Fragen wir den Hauptkommissar«, sagte Irmtraud Koninger. »Also, Hardo, ich denke, es ist nicht zu einer Vergewaltigung gekommen. Dieser Pawlowicz hat Frau Palfy die Droge verabreicht, sie auf der Schleusenmauer abgelegt und ihr die Waffe abgenommen. Niemand hat etwas bemerkt. Die meisten Leute verkriechen sich um diese Jahreszeit in ihren Wohnungen, außerdem ist schlechtes Wetter und Polarnacht.«
»Ich habe nachforschen lassen«, sagte Hardo nach einigen Augenblicken des Nachdenkens. »Es gibt in ganz Bayern keinen Henryk Pawlowicz. Insbesondere keinen, der mit einer Frau namens Ines verheiratet wäre. Eine Ines Pawlowicz ist gar nicht existent. Die Kollegen werden die Alibis der Namenskollegen checken. Aber wir müssen davon ausgehen, dass das Pärchen sich falsche Namen zugelegt hat.«
»Der Typ heißt nicht so«, sagte Katinka. Sie bekam allmählich Bauchkrämpfe vor Hunger. »Wenn einer so einen Coup plant, dann gibt er nicht seinen richtigen Namen an.«
»Sie sollten Anzeige gegen Unbekannt erstatten«, schlug Hardo vor. »Wegen gefährlicher Körperverletzung und Aussetzung. Der Mann hat Sie in eine hilflose Lage gebracht und dann im Stich gelassen. Sie hätten von der Schleusenmauer ins Wasser stürzen und ertrinken können!«
»GHB-Gaben sind ohnehin nicht ohne Risiko«, fügte Dr. Koninger hinzu. »Die Droge kann nämlich nicht exakt dosiert werden. Das Zeug ist in der Regel nicht rein, Sie können nicht wissen, welche Stoffe beigemischt wurden. Wer GHB freiwillig nimmt, sucht den Rausch. Aber die Spanne zwischen einer Menge, die der Konsument als euphorisierend erlebt, und einer Dosierung, die komatöse Zustände hervorruft, ist winzig. An den Wechselwirkungen mit anderen Drogen und Alkohol sind schon Menschen gestorben. Erstickt.«
Katinka biss die Zähne zusammen. Zum ersten Mal stieg Wut gegen ihren Angreifer in ihr auf. Der musste längst über alle Berge sein. Mit ihrer Beretta.
»Jemand hat sich einen falschen Namen ausgedacht und Sie auf einen anderen mit falschem Namen gehetzt«, mutmaßte Dr. Koninger. »Eigenartige Methode, um sich eine Waffe zu beschaffen.«
»Höchst eigenartig«, murmelte Hardo.
»Was ist mit meiner Pistole?«
»Die habe ich als gestohlen gemeldet«, sagte der Kommissar. Er stand auf. »Gehen wir.«
»Wenn Sie was brauchen, rufen Sie mich an«, sagte Irmtraud Koninger und umschloss Katinkas Hand mit ihren warmen, weichen Händen. »Sehen Sie zu, dass Sie ein bisschen Wärme in den Leib kriegen. Seien Sie gut zu sich.«
Katinka bedankte sich und folgte Hardo zum Parkplatz.
»Wo ist denn Ihr Freund?«, fragte der, während er ihr in seiner unnachahmlich besorgten Art die Tür aufhielt.
»Beim Schafkopfen in der Fränkischen.«
Katinka sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Halb sechs. Ihr Kopf sank gegen die eiskalte Scheibe.
Hardo lenkte den Wagen in die Amalienstraße und hielt vor dem gelben Backsteinhaus. Als sie an der Fassade hochblickte, kein Licht sah, die Dunkelheit auf dem Dach sitzen fühlte, fragte sie, ehe der innere Zensor zuschlagen konnte:
»Kommen Sie kurz mit rauf?«
»Klar.«
»Nur um noch ein wenig zu fachsimpeln«, schob Katinka überflüssigerweise nach.
»Fachgespräche führe ich aber erst, wenn
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