Schöne Bescherung
für dich.«
Was für ein Kostüm?, dachte Plotek und: Warum so konspirativ. Aber noch ehe er Schnabel fragen konnte, redete der schon wieder weiter.
»Einer muss es ja machen – und ich dachte, da du mal Schauspieler warst, würde das ganz gut zu dir passen, nicht wahr?«
Plotek stand auf dem Schlauch. Schnabel reichte ihm eine Plastiktüte.
»Außerdem gehört das in den Aufgabenbereich eines Reiseleiters.« Er grinste. »Also, hier, zieh dich um, nach dem Essen ist dann die Bescherung im Festsaal. In dem Buch hier steht, wer was kriegt, und auch ein paar feierliche Worte für die jeweilig Beschenkten. Die Geschenke sind da drin.«
Schnabel drückte Plotek ein goldenes Buch und einen Jutesack in die Hand.
»Dafür gibt es dann auch einen Hunni extra!«
Scheiß auf deinen Hunni, dachte Plotek, als er einen kurzen Blick in die Plastiktüte wagte. Und dann: Der hat sie doch nicht mehr alle.
»Machen Sie’s?«, fragte Skolny, der plötzlich an Ploteks Seite aufgetaucht war, als Schnabel ihn alleine hinter der Säule stehen ließ, und zeigte auf das Weihnachtsmannkostüm in der Plastiktüte. Plotek schüttelte den Kopf. »Bitte! Es war meine Idee.« Plotek guckte Skolny verständnislos an. »Es ist das letzte Weihnachten mit meinem Alten. Es soll was ganz Besonderes werden. Unvergesslich – für ihn. Mit Weihnachtsmann, Geschenken – Sie wissen schon?«
Nichts weiß ich, dachte Plotek.
»Wenn Sie es nicht machen, macht es niemand.«
Du, dachte Plotek, mach es doch einfach selbst.
»Bitte!«
Skolny guckte Plotek mit seinen wässrigen Augen an, als ob er gleich losweinen wollte. Jetzt muss man wissen, dass Plotek im Prinzip immer seinen eigenen Kopf hat, und das war normalerweise ein richtiger Dickschädel – einerseits. Andererseits ist Plotek auch ein Mensch, der an Gutmütigkeit kaum zu übertreffen ist. Nach dem dritten »Bitte!« nickte Plotek, ging auf sein Zimmer und ist in das einteilige Weihnachtsmannkostüm geschlüpft. Er hat sich die Zipfelmütze aufgesetzt, den weißen langen Bart mit einem Gummi an den Ohren festgemacht und ununterbrochen dabei geflucht.
Auf dem Weg zurück in den Festsaal ist er sich dann mehrfach selbst begegnet. Soll heißen, in den Fluren des Grandhotels waren jetzt unzählige Weihnachtsmänner unterwegs, alle in denselben einteiligen Kostümen – vom Hotel großzügig zur Verfügung gestellt. Alles gutmütige Reiseleiter, die mehr oder weniger gezwungen wurden, für die ganzen Luxusärsche den Affen zu machen, dachte Plotek und verfluchte sich selbst am meisten – ob seiner Gutmütigkeit – , als er plötzlich eine Stimme hörte.
»Schade, dass ich Sie nicht sehen kann!« Es war Silke Klein, die übers ganze Gesicht lachte.
»Wie wissen Sie, dass ich . . .«
»Skolny hat es mir erzählt.«
»Skolny hat mich genötigt.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie sich nötigen lassen.«
»Von lebensmüden Pathologen immer.«
»Und von leichtlebigen Blinden?«
Plotek wurde rot. Unter dem weißen Bart war das gottlob nicht zu sehen.
»Ho ho ho!«, sagte Silke Klein und hakte sich beim Weihnachtsmann ein.
An seinem Arm ging es aber nicht in den Festsaal, sondern zuerst an die Bar. Plotek musste sich Mut antrinken und den Ärger ertränken. Er kippte in kurzer Zeit so viele Becherovka hinunter, dass auch er jetzt grinste und sich plötzlich luftig leicht als Weihnachtsmann fühlte. Wenngleich sein Weihnachtsmanngang inzwischen eher schleppend war, als ob das ganze Grandhotel hohen Seegang hätte. Silke Klein erzählte, während Plotek ständig unter dem weißen Bart kicherte und vom vielen Kichern Schluckauf bekam, dass Eduard von Alten wieder einen Wutanfall gehabt hätte. Mitten in der Lounge hätte er Ferdinand Schnabel zusammengestaucht. Wegen nichts und wieder nichts, wie Schnabel anschließend behauptete.
Als sie wieder auf dem Weg zurück in den Festsaal waren und sich beide eingehakt aneinander festhielten, fragte Silke Klein nebenbei: »Haben Sie eigentlich was drunter an?«
»Bescherung!«, schrie Ferdinand Schnabel, als er Plotek als Weihnachtsmann auf den Tisch zuschwanken sah, an dem die komplette Schnabel-Reisegruppe jetzt feierlich gekleidet saß. Herr von Alten zwischen Frau Klinkermann und Frau von Ribbenhold, daneben Marie-Louise und die zwei Wellers. Dann kamen Herr Wilhelm, Heinz und Helga, Korbinian Stremmel, Kita Kubella und Herwig Skolny. Er war ganz in Weiß gekleidet und zwinkerte Plotek ständig zu. Neben Skolny setzte sich Silke
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