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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Popoklatschen – aber ansonsten nichts Außergewöhnliches. Obwohl der sadomasochistische Umgang mit der Lust in allen Gesellschaftsschichten weit verbreitet ist. Das weiß man nicht erst seit Oswald Kolle oder Lilo Wanders’ ›Wahre Liebe‹. Beweis: Beate Uhse. Bis ins kleinste Provinzkaff ist der Erotik-Discounter schon vorgedrungen – geopolitisch jetzt. Und auch marktwirtschaftlich hat sich der Erotik-Anbieter im großen Stil durchgesetzt. Das Einzige, was vom hoch gelobten Neuen Markt erfolgreich und noch übrig geblieben ist, sind die Uhse-Aktien. Das sagt nicht nur viel über den Neuen Markt aus, auch über die Gesellschaft und die Menschen die darin leben. Also du und ich, Hinz und Kunz, Helga und Heinz (nicht verwandt oder verschwägert mit gleichnamigem Paar der Reisegruppe), ein Ehepaar, Nachbarn von Plotek in München, schräg gegenüber. Ein Ehepaar, das, wie alle anderen Ehepaare auch, nach jahrelangem eintönigen Sexualverkehr sein Liebesieben aufpeppen wollten, um die heruntergekommene, verpfuschte Ehe zu retten. Solche Ehepaare strömen dann nach Feierabend scharenweise zu Beate Uhse und decken sich mit allerhand Hygieneartikeln ein. Siebenschwänzige Peitschen, Umschnall-Dildos, Brustwarzengewichte, Lackstiefel, Nietenhalsbänder, Hand-und Fußfesseln und alles. Gibt’s oft. Plotek hat es mit eigenen Augen über den Hinterhof hinweg im Fenster von Helga und Heinz Hirschgiebel sehen müssen. Das Liebesieben der Eheleute Hirschgiebel wurde zwar mit der Lackmontur und den Umschnall-Dildos vordergründig ein wenig abwechslungsreicher. Dafür wirkte es nicht nur für Plotek als Außenstehenden bisweilen lächerlich, wenn die fünfzigjährige schwer übergewichtige Frau Hirschgiebel in ein hautenges Ganzkörper-Lackkostüm gezwängt in kniehohen Schaftstiefeln mit Pfennigabsätzen durchs Schlafzimmer torkelte. Wie eine Wurst sah sie aus, die Frau Hirschgiebel, wie eine indisponierte Wurst, die nicht so richtig wusste, was sie mit dieser Fleischeslust anfangen sollte – eine Wurst, die höchstwahrscheinlich viel lieber wieder ins Schwein zurückgewollt hätte. Der nicht minder übergewichtige Herr Hirschgiebel machte mit Nietenhalsband, Brustwarzenklemmen, Fußfesseln, Penishalter und einer Gesichtsmaske aus Leder, die wie eine Gasmaske aussah, auch keine bessere Figur. Eher Gegenteil. Er sah in dieser Verkleidung auf allen vieren robbend aus wie bei einem verunglückten Einsatz der Münchner Berufsfeuerwehr – alles in allem ziemlich lustig für Plotek am Fenster, mit der nötigen Distanz. Gar nicht lustig für die Hirschgiebels, weil schlussendlich die Ehe dann trotzdem im Eimer war. Immerhin mussten sie sich nicht vorwerfen, zu ihrer Eherettung nicht alles versucht zu haben.
    Beim Gedanken an Hirschgiebels Fußfesseln streckte Plotek seine Füße unter dem Plumeau hervor – Glück gehabt. Keine Fesseln, dafür am anderen Bettpfosten festgeklemmt ein Zettel.
    Wild war’s! Wir sehen uns heute Abend an der Bar. 20 Uhr. Silke. PS: Der Schlüssel für die Handschellen liegt auf dem Tisch.
    Natürlich hat Plotek sofort zum Tisch geguckt – aber vergiss es. Einerseits Glück, andererseits auch wieder Pech. Auf dem Tisch lag zwar der kleine, silberne Schlüssel – der Tisch stand aber in der Mitte des Zimmers.
    Blöde Kuh, dachte Plotek im ersten Moment und dann im zweiten: War das jetzt Absicht oder Versehen? Silke war blind, also doch eher Versehen, dachte Plotek im dritten Moment und korrigierte sich: Blinde Kuh!
    Dann zerrte er das Bett hinter sich her, Stück für Stück, Zentimeter für Zentimeter, durch das ganze Zimmer bis zum Tisch. Er griff mit der linken Hand nach dem Schlüssel, der neben ein paar Zeitschriften lag. ›Brigitte‹, ›Spiegel‹ – auf der Titelseite der blasse Mann mit Hut, darunter die Schlagzeile: DR. TOD – DIE HORRENDEN GESCHÄFTE DES LEICHENSCHAUSTELLERS. Wo immer man hinkommt, dachte Plotek, ist er schon da. Und dann: nichts wie weg.
    Er nahm den Schlüssel und befreite sich. Schweißgebadet und erschöpft, wie er war, hätte er sich jetzt gleich wieder ins Bett legen können – aber vergiss es. Erstens wollte er so schnell wie möglich dieser zweifelhaften Luststätte seiner jüngsten Vergangenheit den Rücken kehren, nach dem Motto: Was ich hinter mir lasse, lässt auch mich hinter sich. Und zweitens war seine Blase jetzt so voll, dass sie augenblicklich zu platzen drohte. Gebückt schleppte er sich in Richtung Bad. Da dann Erleichterung. Zuerst noch nicht,

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