Schöne Bescherung (German Edition)
Siobhan die Antwort ein.
Zwei Uhr nachmittags, noch zwei Stunden Tageslicht und die Princes Street Gardens füllten sich mit Publikum. Das Festival of Santas zog Einheimische ebenso an wie Touristen, die alle den mehreren hundert Weihnachtsmännern dabei zusehen wollten, wie sie für einen wohltätigen Zweck um die Wette liefen. Einige Teilnehmer zogen ihre Kostüme erst über; andere waren bereits im Anzug und mit Bart eingetroffen. Wie üblich gab es ein paar Besonderheiten: Einer trug einen Schottenanzug statt des typischen Rot; einer hatte einen langen blauen Bart statt des weißen … Es war ein hervorragend durchorganisiertes Ereignis. Jeder Läufer hatte bereits im Vorfeld Sponsorengelder gesammelt. Man musste sich eintragen und bekam eine Nummer, die wie bei anderen Athleten auch an der Kleidung befestigt wurde. Die Registrierung erleichterte Siobahn die Arbeit: Sie vergewisserte sich anhand der alphabetischen Liste der Läufer, dass niemand mit dem Namen John Kerr darunter war.
»Vielleicht benutzt er einen Decknamen«, hatte Wilson vermutet.
Wahrscheinlicher aber war, dass er einfach auftauchen und sich unter die anderen Läufer mischen würde. Nur dass er nicht ganz in der Masse untergehen würde. Er wäre der Weihnachtsmann ohne Nummer auf dem Rücken.
»Ist das nicht ein bisschen an den Haaren herbeigezogen?«, hatte Wilson gefragt.
Nein, eigentlich nicht; nur nervig, dass Rebus zuerst draufgekommen war. Das Rennen war für Kerr eine Möglichkeit, Zeit mit seiner Familie zu verbringen, ohne fürchten zu müssen, beim Betreten seines Hauses festgenommen zu werden. Siobhan rieb sich die Hände, um wieder Gefühl hineinzubekommen. Wilson und sie hatten das Taxi vor dem Bungalow vorfahren sehen. Dann waren Selina Kerr, ihr Sohn und ihre Tochter aus dem Haus gekommen. Auf der Fahrt in die Innenstadt hatten sie sich immer ein paar Wagen hinter dem Taxi gehalten.
»Bingo«, hatte Siobhan gesagt, als das Taxi in der Princes Street blinkte und seitlich ranfuhr.
Doch dann war es zu einem kleinen Zwischenfall gekommen. Der Sohn, Francis, hatte auf dem Bürgersteig mit seiner Mutter gestritten. Anscheinend schimpfte sie mit ihm. Er hatte ihr eine Hand auf den Arm gelegt, als wolle er sie beruhigen, dann hatte er sich umgedreht und war weggegangen, die Hände vorne in die Jackentaschen gesteckt. Seine Mutter hatte ihm hinterhergerufen, dann die Augen verdreht.
»Sollen wir uns aufteilen?«, hatte Wilson Siobhan vorgeschlagen. »Ich geh ihm nach, du bleibst bei Mutter und Tochter?«
Siobhan hatte den Kopf geschüttelt.
»Was, wenn er sich mit seinem Vater trifft.«
»Tut er nicht. Deshalb ist seine Mutter ja so sauer.« Während Francis Kerr in der Masse der Einkaufenden verschwand, überquerten Selina Kerr und ihre Tochter Andrea die Straße in Richtung Gardens. Natürlich waren sie nicht die Einzigen. Tausend oder mehr Schaulustige wollten die Läufer sehen. Aber Siobhan und Wilson behielten sie dank Andreas grell pinkfarbenem knielangen Mantel und dazu passender Bommelmütze mühelos im Blick.
»Nicht gerade dezent«, meinte Rebus, als sie zu ihm aufschlossen.
Er trank einen Becher Glühwein vom deutschen Weihnachtsmarkt, und seine Finger rochen nach Knoblauchwurst.
»Bringst du dich in Stimmung?«, fragte Siobhan.
»Immer.« Er schmatzte mit den Lippen und blickte Richtung Mutter und Tochter. »Hatte ich recht, oder hatte ich recht?«
»Na ja, sie sind hier«, meinte Siobhan. »Könnte aber auch einfach Brauch in der Familie sein.«
»Ja, könnte.« Rebus zog sein Handy aus der Tasche und blickte aufs Display.
»Halten wir dich von irgendwas ab?«, fragte Siobhan.
»Hab noch woanders zu tun«, meinte Rebus. Allmählich kam Bewegung in die Menschen ringsum. Einige hatten angefangen, Fotos von den Weihnachtsmännern und dem finster aufragenden Castle Rock zu schießen, der den landschaftlichen Hintergrund bildete. Ein DJ hatte sich auf dem Ross Bandstand bereit gemacht, legte das Übliche auf, gab den Läufern über Lautsprecher Anweisungen durch und interviewte einige von ihnen. Ein Weihnachtsmann war von Dundee nach Edinburgh gelaufen und hatte unterwegs Geld gesammelt. Das Publikum jubelte ihm zu und klatschte.
»Die sehen nicht aus, als würden sie jemanden suchen«, behauptete Wilson und meinte damit Mutter und Tochter.
»Und besonders aufgeregt wirken sie auch nicht«, fügte Siobhan hinzu.
»Wahrscheinlich war’s Kerrs Idee«, vermutete Rebus. »Sie hätten sich lieber in Harvey
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