Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
zu haben.«
    »Sie sind kein Hellseher, Sie sind ein Philosoph.«
    »Ich bin Türsteher und Kofferträger, mehr nicht.«
    »Da bist du ja endlich, verdammte Scheiße.« Ferdinand Schnabel kam außer Atem auf Plotek zu. »Ich habe dich überall gesucht. Es heißt, sie hätten dich festgenommen.«
    »Es heißt, von Alten hätte die Frau von Ribbenhold auf dem Gewissen und sich selbst gerichtet«, entgegnete Plotek. Mit anderen von sich selbst ablenken war eine bewährte Methode. Und darüber hinaus noch ein paar Gerüchte streuen konnte nie schaden.
    »Nein! Ich werd verrückt«, rief Schnabel.
    Davor geht’s aber noch in den tschechischen Knast, dachte Plotek.
    Als ob sich der Türsteher Ähnliches gedacht hätte, hielt er den beiden die schwere Eingangstür weit auf.
    »Einen schönen Tag wünsche ich dann noch«, sagte er und lächelte wieder.

21
    Als alle schon in Schnabels Reisebus saßen und Vaclav alle Koffer im Gepäckraum des Busses verstaut hatte, kam Silke Klein tapsend auf den Bus zu. Es war natürlich nicht die Silke Klein, die alle anderen glaubten zu kennen. Es war die Prostituierte Mascha in der Verkleidung von Eva Petrov als Silke Klein. Und als solche sah sie haargenau so aus, wie alle anderen Busreisenden sie in Erinnerung hatten. Was mit ein bisschen Schminke und falschen Haaren alles zu machen ist, dachte Plotek und nickte ihr anerkennend zu. Mascha schmunzelte und sagte nichts. Ab jetzt schien sie nicht nur blind, sondern auch stumm zu sein. Und das hatte seinen Grund.
    »Egal was passiert, du darfst nichts sagen. Gar nichts, verstehst du?«, beschwor Plotek sie am Dorotheen-Altan, als er ihr Perücke, Brille, Armbinde und Pass übergab. Mascha nickte halbherzig. Sie schien von Ploteks kurz skizziertem Vorhaben nicht so recht überzeugt zu sein. Aber in Ermangelung einer Alternative blieb ihr nichts anderes übrig, als sich Ploteks Idee vorbehaltlos auszuliefern.
    »Was will die denn noch hier?«, fragte Frau Klinkermann feindselig. »Ich dachte, die hat den lieben Herrn von Alten auf dem Gewissen und sitzt.«
    »Dass die sich überhaupt noch hertraut«, zischte die dicke Frau Weller und sah dabei so aus, als ob sie mit ihren kräftigen Masseurinnen-Händen zu weit mehr fähig wäre, als verspannte Muskeln zu kneten.
    Heinz und Helga schüttelten den Kopf und würdigten Silke Klein keines Blickes. Stremmel wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus und guckte wieder nur betreten.
    »Kennen Sie den?«, fragte Herr Wilhelm. »Im Gefängnis fragt der Polizist den Verbrecher: ›Kommen bei Ihnen nie Verwandte zu Besuch?‹ Sagt der Verbrecher: Warum? Die sind doch alle hier!‹«
    Alle lachten. Außer Plotek und Stremmel.
    Und natürlich Silke Klein. Die hockte sich jetzt ganz nach hinten in die letzte Busreihe und schwieg eisern, zuckte, wenn sie jemand direkt ansprach, nur mit den Schultern oder schaute gleichgültig aus dem Fenster.
    »Arrogante Zicke«, murmelte Herr Wilhelm leise und kratzte sich dabei ausgiebig in den Kniekehlen.
    Nachdem die Mitreisenden Mascha argwöhnisch beäugt und ein paar despektierliche Kommentare von sich gegeben hatten, ließen sie sie in Ruhe. Ein paar Kilometer weiter schienen sie »die blinde Nuss, die glaubt, was Besseres zu sein«, wie Frau Klinkermann mutmaßte, sogar ganz vergessen zu haben. Nur Ferdinand Schnabel guckte noch ab und zu in den Rückspiegel und schien sich jedes Mal zu fragen, was ihn an der Blinden plötzlich so irritierte.
    Als der Bus schon vom Parkplatz gerollt war, kam Vaclav hinterhergerannt und schlug mit der Faust an die Tür. Schnabel wurde ganz weiß im Gesicht und hielt sofort wieder an.
    »Moment«, sagte Vaclav, während sein linkes Augenlid aufgeregt zuckte. »Sie haben was vergessen.«
    Alle sahen sich fragend an. Zwei Männer, die den Ledermänteln zum Verwechseln ähnlich sahen, eskortierten eine alte Frau, links und rechts untergehakt, zum wartenden Bus.
    »MAMA!«, schrie die dicke Frau Weller in einer Mischung aus Erleichterung und Bestürzung.
    »Frau Weller!«, ließ auch Herr Wilhelm seiner Verwunderung freien Lauf.
    »Gott sei Dank«, seufzten Heinz und Helga gleichzeitig und bekreuzigten sich mehrmals – ebenfalls synchron.
    »Wo kommt die denn jetzt her?«, fragte Schnabel und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Aus Marienbad«, murmelte Plotek, »Goethe suchen . . .«
    So wie die alte Frau Weller aussah, hatte sie aber weder Goethe noch Marienbad gefunden. Höchstens sich selbst verloren, vielleicht an einer

Weitere Kostenlose Bücher