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Schöne Neue Welt

Schöne Neue Welt

Titel: Schöne Neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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daß sich sein Interesse auf etwas konzentriert, das er ›die Seele‹ nennt und hartnäckig als etwas vom Körper ganz Unabhängiges betrachtet. Demgegenüber
    versuchte ich geltend zu machen -«
    Der Aufsichtsrat übersprang die nächsten Sätze und wollte auf der Suche nach interessanten Tatsachen eben umblättern, als sein Blick auf eine Reihe höchst ungewöhnlicher Bemerkungen fiel.
    » - wenngleich ich gestehen muß«, las er, »daß ich, ebenso wie der Wilde, zivilisierte Infantilität auch zu bequem finde oder, wie er das ausdrückt, zu billig. Ich gestatte mir, diese Gelegenheit zu ergreifen, um Eure Fordschaft darauf
    aufmerksam zu machen -«
    Mustafa Mannesmanns Ärger ging fast sogleich in Heiterkeit über. Der Gedanke, daß dieser Mensch ihm - ihm!
    - eine feierliche Predigt über die Gesellschaftsordnung hielt, war wirklich zu grotesk. Der Kerl mußte verrückt geworden
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    sein. »Ich sollte ihm eine Lektion erteilen«, sagte er sich, aber dann warf er laut lachend den Kopf zurück. Vorläufig jedenfalls wurde die Lektion nicht erteilt.
    Sie besuchten eine kleine Fabrik, einen Ableger des
    Elektromaterial- Trusts, die Beleuchtungsanlagen für Helikopter herstellte. Schon auf dem Dach wurden sie, dank der
    Zauberwirkung eines Empfehlungsrundschreibens des
    Aufsichtsrats, vom Ersten Ingenieur und dem Personalleiter empfangen. Sie begaben sich in die Fertigungshallen.
    »Jeder Arbeitsgang«, erläuterte der Personalleiter, »wird, wenn irgend möglich, von einer einzigen Bokanowskygruppe besorgt.«
    So war es in der Tat. Dreiundachtzig fast nasenlose, schwarze, rundschädelige Deltas standen an den Kaltpressen. Die
    sechsundfünfzig vierspindeligen Drehbänke wurden von
    sechsundfünfzig adlernasigen, rothaarigen Gammas bedient.
    Hundertsieben auf Hitze genormte Epsilon-Senegalesen
    arbeiteten in der Gießerei. Dreiunddreißig weibliche Deltas, langschädelig, flachsblond und enggebaut, keine mehr als zehn Millimeter größer oder kleiner als ein Meter neunundsechzig, fertigten Schrauben an. Im Montageraum wurden die Dynamos von zwei Gruppen gamma-plus Zwergen zusammengesetzt. Die beiden niedrigen Arbeitstische standen einander gegenüber; zwischen ihnen kroch das Förderband mit den einzelnen
    Bestandteilen; siebenundvierzig Blondhaarige standen
    siebenundvierzig Schwarzhaarigen gegenüber. Siebenundvierzig Stumpfnasen gegenüber siebenundvierzig Hakennasen,
    siebenundvierzig fliehende ge genüber siebenundvierzig
    vorspringenden Kinnladen. Die zusammengesetzten Anlagen
    wurden von achtzehn identischen gammagrünen Mädchen mit
    Lockenköpfen überprüft, von vierunddreißig O-beinigen delta-minus Linkshändern in Kisten verpackt und auf die wartenden Güterwagen und Lastautos von dreiundsechzig blauäugigen, blonden, sommersprossigen Epsilon-Halbidioten verladen.
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    »Schöne neue Welt -« Ein boshafter Streich seines
    Gedächtnisses brachte dem Wilden gerade in diesem
    Augenblick Mirandas Worte in Erinnerung. »O schöne neue
    Welt, die solche Bürger trägt!«
    »Ich kann versichern«, schloß der Personalleiter beim
    Verlassen des Betriebs, »daß wir kaum jemals Schwierigkeiten mit unseren Arbeitern haben. Wir finden immer -«Der Wilde war plötzlich auf und davon gestürmt. Hinter einem
    Lorbeerbusch erbrach er sich so heftig, als wäre der ganze Erdball nichts als ein in ein Luftloch geratener Hubschrauber.
    »Der Wilde«, schrieb Sigmund, »lehnt Soma ab und scheint sehr beunruhigt zu sein, weil diese Filine, seine M... r, dauernd auf Urlaub ist. Es verdient Beachtung, daß der Wilde seine M...r trotz ihrer Senilität und der ungemeinen Widerlichkeit ihrer Erscheinung häufig besucht und offenbar sehr an ihr hängt. Ein interessantes Beispiel dafür, wie frühe Normung die natürlichen Triebe einzudämmen und sogar in entgegengesetzte Bahnen zu lenken vermag (in diesem Fall den Trieb, unangenehmen
    Dingen auszuweichen).«
    In Pforta stiegen sie auf dem Dach der Oberschule aus. Auf der gegenüberliegenden Seite des Schulhofs schimmerte das zweiundfünfzig Stockwerke hohe Fürstenhaus weiß in der
    Sonne. Hochauf ragten die ehrwürdigen Bauten des Klosters zur Linken und der Vereinigungssinghalle zur Rechten, beide aus Eisenbeton und Vitaglas. In der Mitte des Hofs stand die merkwürdige altertümliche Chromstahlbildsäule Fords des
    Herrn.
    Oberstudienrat Nietzschegel, der Schulleiter, und Fräulein Fordsched, die Oberlehrerin, empfingen sie beim Aussteigen.
    »Gibt es hier viele

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