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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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felsenfeste Überzeugung. Sie ist sicher: Es ist gut, so wie es gekommen ist, und dass es da besser ist, wo sie jetzt ist.
    Sie ist nicht zu ertragen. Denn sie beschwert sich nicht. Worüber sollte sie sich beschweren! Es ist passiert. Sie scheint fast erleichtert, dass sie es hinter sich hat, nach all dem aufgeregten Hin und Her, den Kämpfen und gegenseitigen Vorwürfen.
    Oft gibt es auch noch andere Stimmen. Dämonen und Kobolde, die das Für und Wider des Verbrechens diskutieren. Sie besprechen die technischen Details, debattieren seine theologische Begründung oder argumentieren dafür oder dagegen. Niemals sind sie jedoch sachlich, immer polemisch. Manchmal beschwichtigen sie, manchmal treiben sie zur Eile. Und selbst für aufmerksame Zuhörer ist nicht immer ganz klar, ob sie nicht einfach nur Unter- und Nebenstimmen der drei Hauptpersonen darstellen.
    Dieser junge Mann ist eindeutig der Star des nächtlichen Brüllfestes. Sein kleines Stück kann zwanzig Minuten dauern oder auch zwei Stunden. Trotzdem schafft er es nie, dass die anderen ihr Geschrei wegen ihm einstellen. Was sie ihm zugestehen, ist vielleicht eine andächtige Pause. Oft aber versuchen sie ihn gerade zu übertönen, weil sie ihm einfach nicht mehr zuhören können.
    Auch ohne seine nächtlichen Darbietungen zu verfolgen, weiß in Moabit jeder, was er getan hat. Er hat eine große Sieben in den Oberkörper seiner Freundin geschossen. Vom rechten oberen Schlüsselbein den ganzen Weg bis zum rechten Hüftknochen. Mit einem Querstrich im übrigen. Du willst ja keine halben Sachen machen.
    Das durchlebt er nun noch einmal fast jede Nacht. Wenn schließlich die sieben Schüsse durch die Nacht peitschen, wissen wir, das ist jetzt der Anfang vom Ende. Als ich sie zum ersten Mal hörte, so trocken und lebensecht, bin ich zum Fenster gerannt, um zu gucken, was denn jetzt los war.
    Aber jetzt kommt erst der schlimmste Teil. Der, wofür das ganze vorherige Drama aufgeführt wird. Der, warum sich Häftlinge, die ich kenne, Ohrstöpsel aus benutztem Toilettenpapier gebastelt haben. Glauben Sie mir das.
    Nun fällt der junge Mann über seine lebleere und bluthafte Freundin her. Mit einer Gier, die nicht zu ertragen ist. Er japst und gluckert, hechelt und sabbert, dass das ein Hund  sein könnte, der da unten kopuliert, oder eine Hyäne, aber kein Mensch.
    Das alles begleitet er mit, „Ja, Helga“ und „Oh ja, Helga“, so intensiv und verliebt, als sei die Genannte zum ersten Mal wirklich lebendig. Wenn er fertig ist, sagt die tote Frau mit ihrer Grabesstimme, „Mensch, Freddy, du bist ja über die Ziellinie gegangen. Das hatten wir auch noch nicht.“ Dann ist es vorbei. Dann fängt er an zu Schluchzen wie ein Mädchen. Schön ist anders. Das können Sie mir glauben.
    Direkt über mir ist so ein Scherzbold. Er brüllt einfach nur, „Ich ficke deine Frau! Ich ficke deine Mutter. Ich ficke deine Schwester!“ Bis jemand sich schließlich provoziert fühlt und zurück brüllt, er solle nur kommen, aber auf jeden Fall mit seiner Mutter im Schlepptau, damit derjenige... Na, Sie wissen schon.
    Einmal kam er damit in die Darbietung des gemarterten jungen Mannes. Die Stimme der Frau aus dem Jenseits sagte nur kurz und nicht besonders laut: „Freddy, wer ist der kleine Wicht?“ Danach war von dem Spaßvogel über mir kein Pieps mehr zu hören.
     

* 5 *
     
    Dann kamen die Krähen in die Münzstraße. Eines Abends sah ich sie auf dem Dach des Hauses gegenüber sitzen wie böse Geister. Etwas Unheilvolles ging von Ihnen aus, wie sie da saßen, still und unnahbar. Und es wurden immer mehr. In großen Scharen, die den Himmel verdunkelten, flogen sie über die Stadt, um sich lautlos auf diesem Haus nieder zu lassen. Als planten sie etwas, als hätten sie etwas vor. Schwarz, unbeweglich, nur ein Schatten waren sie, trotzdem wusste ich genau, sie schauen mich an.
    Wenn sie wirklich böse Geister waren? Oder Seelen, die nicht zur Ruhe kamen? Tote, die in den Häusern hier gewohnt haben, die noch hier waren, weil sie weiter an ihre Existenz erinnern wollten, die sich weigerten von hier weg zu gehen?
    Am nächsten Morgen sah ich zwei von ihnen, wie sie einen Dritten anstupsten, der auf der Straße lag. Wie um ihn zu aufzumuntern doch aufzustehen.
    Dann erst sah ich: Der Dritte war tot! Fast platt. Von einem Auto überfahren. Und die zwei anderen stupsten ihn auch nicht an, sie fraßen von ihm. Erst zogen sie ihn von der Fahrbahn. Dann in der Nähe des Bordsteins

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