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Schönesding!

Schönesding!

Titel: Schönesding! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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machten sie sich mit spitzen Schnabelhieben über ihn her.
    Über ihrem schwarzen Federkleid tragen diese Raben vom Hals bis zu den Füßen so eine Art grauen Anzug. Ich habe nachgeschaut. Es sind Nebelkrähen (Corvus corone corvix). Sie gehören zu den Aaskrähen. Unverkennbar. Und sind östlich der Elbe zuhause. Das musste stimmen. Denn bei uns sind Raben einfarbig schwarz und heißen korrekt Rabenkrähen. Auch das habe ich nachgeschaut.
    Bei uns konnte man sie sehen, die Raben, wie sie auf dem Feld saßen und die Saat fraßen, aber dass sie sich in den Städten zusammenrotteten zu großen Scharen, habe ich bei uns noch nie gesehen.
    Ich muss an Luise denken. An unseren letzten Abend. Ob Luise die Raben geschickt hat? Wahrscheinlich deshalb die bösen Geister.
    Luise war natürlich nicht glücklich, als ich für ein Semester nach Berlin ging. Sie hat geweint. Das ist keine schöne Erinnerung. Ich habe gesagt, wir können jeden Tag telefonieren, wir können uns am Wochenende besuchen. Ich bin nicht aus der Welt. Das sind ein paar hundert Kilometer. Das kann uns nicht auseinander bringen.
    Aber darum ging es nicht. Es ging nicht darum ein Semester in einer anderen Stadt zu studieren. Es ging um etwas anderes. Das wusste Luise.
    Luise hat gesagt, aber du hast doch alles hier. Was willst du mehr? Warum willst du nach Berlin? Warum willst du das aufgeben, was du hier hast? Warum nur?
    Aber, dass ich alles hatte, das war es ja gerade, warum ich fort wollte. Viel zu schnell hatte ich alles mit Luise. Viel zu schnell erschien mir alles viel zu einfach. Und auch zu vorherbestimmt. Wie auf der Eisenbahn des Lebens. Wo du nur auf dem Fahrplan nachschauen musst, was als nächstes passiert.
    Und es gab eine Sache, die wir nicht lösen konnten. Die mich wirklich störte. Die ich nicht bereit war hinzunehmen.
    Luise erzählte ihrer Mutter alles. Und ich meine wirklich alles. Was wir machten, und wie wir es machten, und wie oft wir es machten.
    Weil: Luises Mutter war in Ordnung. Sie war so eine von diesen junggebliebenen Müttern, die sich von ihren Töchtern mit dem Vornamen ansprechen lassen. Dennoch hatte sie enorm viel Erfahrung. Sie war Professorin. Sie hatte in einer Schwitzhütte gesessen bei den Navajo-Indianern in Arizona und Opium geraucht in Laos. Sie hatte eine Zeit lang Massai-Sandalen hergestellt in Tansania und Halva verkauft in der Türkei. Und man konnte ihr alles erzählen, sie war ja selbst einmal jung. Sie schalt Luise nie, sie ermutigte sie nur, beriet sie, war nicht ihre strenge Mutter, vielmehr eine gute Freundin, die immer zu ihrer Seite stand, wenn Luise sie einmal brauchte. Sie war locker, echt locker, verstehen Sie. So sah sie Luise.
    Ich jedoch war nicht nur mit Luise zusammen, sondern auch mit einer Zweiundvierzigjährigen, die den Gabi-Wisch perfektioniert hat. Die wahrscheinlich den Gabi-Wisch erfunden hat.
    Wenn Sie nicht wissen, was das ist, gehen Sie einfach raus auf die Straße. Dort sehen sie ihn jeden Tag, den Wisch. Wenn die Frauen zusammen stehen und sich gegenseitig die Schultern durchwischen, weil sie sich eine Umarmung nicht trauen. Inzwischen machen sie es allerdings sogar auch schon bei einer Umarmung. Wenn wir nicht aufpassen, wird er bald zum offiziellen Gruß ausgerufen, in diesen Breiten, der Wisch, ahhh!
    Wenn ich also Luises Mutter traf, suchte ich in ihren Augen. Ich fragte mich immer, was denkt sie von mir. Was sie alles weiß.
    Sie jedoch ließ sich nie etwas anmerken. Ich aber war vorsichtig. So viel Einfluss wie sie über Luise hatte. Was, wenn sie entschied, dass ich nicht der Richtige war, dass Luise ohne mich besser dran war. Es war besser vorsichtig zu sein.
    Ich fing an Luise nicht mehr alles zu erzählen. Dann konnte sie es auch nicht an Gabi Wisch weiterleiten. So war der Kreis durchbrochen. Stattdessen sagte ich zu Luise, du musst auf deinen eigenen Füßen stehen. Früher oder später. Besser früher. Du musst dein eigenes Leben führen. So oder so. Du solltest nach Berlin gehen. Nicht ich. Du solltest nach Italien gehen oder nach England. Oh Mann, irgendwohin, damit du endlich von Gabi Wisch – ich sagte 'deiner Mutter' natürlich - loskommst.
    Aber das wollte Luise nicht. Warum sollte sie weggehen, von mir, von ihren Eltern, von ihren Freunden? Was hast du eigentlich gegen meine Mutter?, sagte Luise. Ich wäre nur neidisch, weil ich nicht so ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern hatte. Hatte ich nicht. Gott sei Dank. Und Luise warf mir vor, dass ich sie und ihre

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