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Schönheit der toten Mädchen

Schönheit der toten Mädchen

Titel: Schönheit der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Vielleicht hatten Sie die Absicht, ein neues Leben zu beginnen. Aber das ging über Ihre Kräfte. Nach den Londoner Gemütsbewegungen war ein normales Leben für Sie unmöglich geworden. Diese Besonderheit des manischen Bewußtseins ist der Kriminalistik wohl bekannt. Wer einmal Blut geleckt hat, kann nicht mehr aufhören. Anfangs haben Sie, was als Friedhofswärter kein Problem war, Leichen aus den Gräbern geholt und zerstückelt. Dank der winterlichen Kälte waren die Körper, die seit Ende November in der Erde lagen, nicht verwest. Einmal versuchten Sie es mit einermännlichen Leiche, aber das hat Ihnen nicht gefallen. Es paßte nicht zu Ihrer ›Idee‹. Worin besteht sie, Ihre Idee? Können Sie sündige, häßliche Frauen nicht ertragen? ›Ich will Sie erfreuen‹, ›ich helfe Ihnen, wunderschön zu werden‹ – erlösen Sie mit Hilfe des Skalpells gefallene Frauen von der Häßlichkeit? Rührt daher der blutige Kuß?«
    Der Angeklagte schwieg. Sein Gesicht nahm einen feierlichen, entrückten Ausdruck an, die leuchtend blauen Augen wurden trüb, beschattet von den halb gesenkten Wimpern.
    »Aber dann genügten Ihnen die leblosen Körper nicht mehr. Sie überfielen ein paar Frauen, zum Glück erfolglos, und begingen zwei Morde. Oder mehr?« schrie Fandorin plötzlich, stürzte zu dem Angeklagten und rüttelte ihn an den Schultern, und zwar derart, daß Sozkis Kopf fast von den Schultern flog.
    »Antworten Sie!«
    »Erast!« rief Angelina. »Das ist nicht nötig!«
    Der Kollegienrat ließ Sozki los, trat rasch ein paar Schritte zurück, nahm die Hände auf den Rücken und kämpfte gegen seine Erregung an. Der Angeklagte jedoch, nicht im geringsten beeindruckt von Fandorins Ausbruch, saß unbeweglich und sah den Kollegienrat mit einem Blick voller Gelassenheit und Überlegenheit an.
    »Was können Sie schon verstehen«, flüsterten kaum hörbar die fleischigen Lippen.
    »Am Abend des 3. April, ein Jahr nach dem ersten Londoner Mord, haben Sie die Andrejitschkina getötet und ihren Körper geschändet. Einen Tag später wurde die minderjährige Bettlerin Ihr Opfer. Die weiteren Ereignisse entwickelten sich sehr rasch. Ishizyns ›Experiment‹ löste bei Ihnen einen Erregungsschub aus, den Sie nur abbauen konnten, indem SieIshizyn umbrachten und ausweideten. Zugleich töteten Sie sein völlig unschuldiges Dienstmädchen. Von dem Moment an gingen Sie von Ihrer ›Idee‹ ab, Sie töteten jetzt, um die Spuren zu verwischen und der Strafe zu entkommen. Als Sie begriffen, daß sich die Schlinge zusammenzog, beschlossen Sie, die Schuld auf Ihren Freund und Beschützer Sacharow zu lenken. Zumal der Arzt schon Verdacht gegen Sie schöpfte – wahrscheinlich verglich er die Fakten oder wußte etwas, was ich nicht weiß. Jedenfalls schrieb er am Freitag abend einen Brief an die Ermittlungsbehörde, in dem er Sie entlarven wollte. Er zerriß ihn, begann von neuem, zerriß ihn wieder. Von seinem Assistenten Grumow wissen wir, daß sich Sacharow schon in der vierten Stunde in seinem Kabinett eingeschlossen hatte, also quälte er sich bis zum Abend mit seinem Entschluß. Ihn plagten verständliche, im gegebenen Fall aber untaugliche Ehrbegriffe, Korpsgeist und nicht zuletzt Mitleid mit einem bedauernswerten ehemaligen Kommilitonen. Sie haben den Brief an sich genommen und alle Papierfetzen vom Boden aufgehoben. Aber zwei Schnipsel haben Sie übersehen. Auf einem stand: ›länger schweigen‹, auf dem anderen: ›legungen der Korporationsehre und Mitgefühl mit einem alten Kam‹. Der Sinn ist offenkundig – Sacharow hatte geschrieben, daß er nicht länger schweigen könne, und er hat seine lange Inschutznahme eines Mörders mit Korporationsehre und Mitgefühl mit dem alten Kameraden gerechtfertigt. In dem Moment wußte ich endgültig, daß der Mörder unter den ehemaligen Kommilitonen Sacharows zu suchen war. Das ›Mitgefühl‹ wies auf einen, dessen Leben sich nicht glücklich gefügt hatte. Also schied der Millionär Burylin aus. Blieben drei – der halbverrückte Stenitsch, der versoffene Rosen und Sozki, dessen Name immer wieder in denErzählungen der ehemaligen ›Sadisten‹ fiel. Er war anscheinend ums Leben gekommen, aber das mußte überprüft werden.«
    »Erast Petrowitsch, warum sind Sie so sicher, daß dieser Arzt, Sacharow, getötet wurde?« fragte Angelina.
    »Weil er verschwunden ist, obwohl er dafür keinen Grund hatte«, antwortete Fandorin. »Sacharow war an den Morden unschuldig, und er dachte, daß

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