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Schottische Disteln

Schottische Disteln

Titel: Schottische Disteln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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aber auch einander schubsend, wurden Stiefel ausgezogen und Schnürriemen gelöst. Es war nicht zu übersehen, dass einige der Männer nicht mehr ganz sicher auf den Beinen waren. Ryan beruhigte die Hunde, die sich knurrend, aber gehorsam auf ihre Decken legten, und holte zusätzliche Stühle aus der Küche.
    »Hier, ich habe Bier mitgebracht.« Sogar Billy, der Wirt war mitgekommen. Stöhnend wuchtete er den Kasten durch die Tür. Er war rothaarig und klein, und seine Gesichtshaut war schlaff und bleich, weil er selten seine Gaststube verließ. Mit dem dicken Bierbauch bewegte er sich schwerfällig zu einem bequemen Sessel. »Gläser hast du doch hoffentlich selbst.«
    Ryan, noch immer überrascht von dem unerwarteten Besuch, ging in die Küche, holte ein paar Zinnkrüge und aus der Speisekammer frisches Brot und einen Topf mit hausgemachter Wurst und brachte alles in die Halle. Hier wurde eine Diskussion, die ihren Ursprung wohl im Pub gehabt hatte, lautstark weitergeführt.
    »Was ist überhaupt los, worüber streitet ihr?«, wollte er wissen.
    »Na, über das Highlandfest in Inverness, ist doch klar.«
    »Und was gibt es da zu streiten?«
    »Wer was machen soll, das muss doch geregelt werden«, erklärte Tim, ein bulliger Viehzüchter mit einer beachtlichen Alkoholfahne. Breitbeinig stand er in der Mitte der Halle und schob die Daumen unter die Hosenträger. Die grünen Socken waren ihm über die Knöchel gerutscht, die Leinenhose war zu kurz, und das bunt karierte Baumwollhemd drohte über dem Bauch zu platzen.
    »Keiner will auf den Trödelmarkt, alle wollen nur bei den Wettbewerben und bei den Spielen mitmachen.«
    »Dafür haben wir schließlich trainiert. Ich stell mich doch nicht als Marktweib in eine Bude!«, rief einer der Männer.
    »Ich hab mit den Schafen und den Hunden seit März geübt«, sagte ein anderer.
    »Ich muss meine Welpen vorführen. Dieses Jahr kriege ich bestimmt einen Preis«, hieß es weiter.
    »Und ich bin ein As im Stämmewerfen, das wisst ihr ganz genau. Wenn einer einen Preis für unsere Gegend holt, dann bin ich das«, ließ sich ein vierter Mann vernehmen.
    »Ruhe! Seid mal ruhig, wartet, bevor ihr euch die Köpfe einschlagt.« Ryan stellte sich in die Mitte und hob beschwörend die Hände. »Erklärt mir jetzt mal, um was es geht. Ich hole einen Block, und dann schreiben wir auf, wer was macht.«
    Er drehte sich um. »Los Billy, du bist der Erste.«
    »Ich habe die Imbissbude mit den besten Fish and Chips. Nirgendwo gibt‘s bessere. Das ist mein Job, und das mache ich an beiden Tagen.«
    »Steve?«
    Ryan sah den kleinen unscheinbaren Mann an, der bei weitem der Intelligenteste von allen war.
    »Ich bin Richter bei den Tartan-Entscheidungen. Wir kontrollieren die neuen Schottenmuster und beschließen, ob sie zugelassen werden. Das mache ich seit Jahren, da bin ich Spezialist.«
    »Gut, weiter. Donald?«
    »Ich habe fünf Schafe und einen Hund für die Hirtenspiele trainiert, das hat Monate gedauert.«
    »Bob, was machst du?« Ryan sah den Hünen an, der seine Ärmel hochgekrempelt hatte und seine Muskeln spielen ließ.
    »Ich bin der beste Werfer – also, legt euch nicht mit mir an.«
    Ryan dachte zurück an Spiele in vergangenen Jahren, die er an anderen Orten gesehen hatte. Es war für ihn unbegreiflich gewesen, mit welcher Leichtigkeit die schwergewichtigen Männer mit den Baumstämmen hantiert hatten. »Also gut, du wirfst die Stämme. Und du Dick?«
    »Ich hau den Lukas, dass der Bolzen beim Mond ankommt.«
    »Angeber. Letztes Jahr hast du einen Hexenschuss gekriegt, da war außer großen Tönen nichts von dir zu hören!«, rief Bob dazwischen.
    Die Stimmen wurden lauter, der Streit schien auszuufern. Ajax und Bella zogen sich knurrend in die Küche zurück.
    »Leute, beruhigt euch. Wir finden eine Lösung. Warum muss überhaupt einer auf den Trödelmarkt?«
    »Ist Tradition.«
    »Weshalb schickt ihr nicht eure Frauen?«
    »Ist Männersache. Auf dem Highlandmarkt dürfen nur Männer verkaufen.«
    »Ist auch eine Art Wettbewerb.«
    »Und was wird verkauft?«
    »Mensch, Ryan, einfach alles«, erklärte Charly, mit seinen achtzig Jahren der Älteste von den Männern. »Kitsch und Kunst und Krempel. Wir sammeln im ganzen Landkreis. Das machen die Frauen, die sind schon seit Wochen unterwegs und stöbern durch Schuppen und Keller und Böden und Scheunen. Da kommt ‚ne Menge Kram zusammen, das sag ich dir.«
    Ryan sah den alten Mann an. »Warum übernimmst du nicht den

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